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28
Nov 09

27.11.2009 Peter Piek @ Hog Bar, Rock Bar, Golling AT

Es ist eine Schande. Wir erreichen Golling um 18.30 Uhr mit grosser Vorfreude und als erstes müssen wir unsere Unterschrift dafür geben, dass der Club eine Chance hat, überhaupt weiter zu existieren. Eine Nachbarin, Frau H, hat wohl in ihrer Jugend was versäumt und muss jetzt politisch gegen einen Club vorgehen, der weit und breit einer von den wenigen ist, die alles richtig machen. Ich spiele hier zum dritten Mal und weitere Gigs mit anderen von meinen Bands sind schon gebucht. Meinen Tagebucheinträgen ist zu entnehmen, dass die Hog Bar in Golling, so weit es auch von zu Hause weg ist, immer wieder Balsam für die Seele ist, gerade in harten Zeiten für unbekannte Bands. Der Deal ist hier voll in Ordnung. Die Bands kriegen den Eintritt, der Club die Bareinnahmen. Die Location befindet sich abseits vom Mainstreamtrubel in den Salzburger Voralpen aber man hat ein Publikum, das gerockt werden will. Die Getränkebons würden bei geschicktem Einsatz reichen, um sich die Lampe ordentlich zu füllen, da sie nur für alkoholische Getränke gelten, Softdrinks sind für uns unbeschränkt gratis, wir kriegen ein leckeres Nachtessen und ein Landgasthofzimmer zum Übernachten. Abgesehen davon zählen Andi und sein Bruder, die die Bar führen zu den sympathischsten Cluboberhäuptern, die ich je gesehen habe und haben einen guten Musikgeschmack dazu. In der Hog Bar besteht die Hälfte des Publikums auch aus Musikern der Gegend, was zur Förderung der Netzwerke unter Musikern über die Landesgrenzen heraus führt. Kulturförderung pur, ohne dem Staat einen Cent abzuzwacken. Aber nein, nach jahrelangem erfolgreichem Betrieb muss nun Frau H. aus G. dumm rüsseln und bei der Behörde gegen die Hog Bar weibeln. Der Landgasthofbetrieb war zwar eigentlich eher da als die Hütte von Frau H. aber reiten wir jetzt mal nicht auf Details herum. Offensichtlich liegt Andi und Co. der Peter Piek Gig stark am Herzen, denn Leute, die ans Konzert kommen, die mir übrigens am Parties Break Hearts Konzert diesen Frühling geflüstert haben, sie hätten leider letztes Jahr Peter Piek verpasst, sagen mir, das sei unter den aktuellen Umständen die Ausnahme schlechthin, dass das Konzert nicht abgeblasen wurde. Der ganze Trubel um die Nachbarschaftsklage wird allerdings von Andi nicht gross zum Drama heraufgespielt. Während des Soundchecks, bei dem wir die Supportband aus Linz kennen lernen, deren Torbus wir auf der Autobahn etliche Male überholt haben, wird überhaupt keine Panik wegen Lautstärkeproblemen gemacht. Man weiss schliesslich hier, dass Rockmusik bei unter 100 dB nicht funktioniert, was dem „Mischer“ von gestern im Carina beispielsweise nicht bekannt ist, Vollpfosten. Andi hat vorsorglich die Fenster in den 1 Meter dicken Mauern des Clubs zugemauert und macht schon mal ausserhalb des Clubs Lärmmessungen, während des Soundchecks, um sicher zu gehen, dass das Problem der Nachbarin H. sicher nicht bei der Lärmbelästigung liegt. 45 dB, als keine Band spielt, aber ein Auto anbraust. 43 dB, als wir volle Kanne kloppen und ein Wind weht, 44 dB das rauschen des Bachs. Selbe Situation der Lärmemission während des Konzertbetriebs. Ich könnte kotzen. Hoffentlich brennt das Haus von Frau H. bald ab, weil sie, vergessen das Hörgerät einzuschalten, den laufen gelassenen Gasherd nicht bemerkt hat. So, genug über stieres Pack gelästert. Zum Konzert gibt es nur folgendes zu sagen: Die Vorband war besser als jede Vorband hier zuvor, obwohl ich finde, der Leadsänger gehöre in die Mitte und nicht in den Schatten links aussen und der Schlagzeuger dürfte auch mal schlagen und nicht irgendwas rumjazzen, wenn er in einer Rockband sitzt. Die Band erntet Zugaberufe, nützt die Situation aber nicht aus und wir rocken dann voll vors Fressbrett. Aber wirklich voll. So voll wie glaub ich eigentlich noch nie vorher auf dieser Tour. Der gut besuchte Laden ist bestens in Stimmung und wir auch. Im zweiten Song verirren wir uns zwar ein wenig, weil die Nebelmaschine, die eigentlich für Open Airs konzipiert ist, einfach alles einlullt und wir nicht mal mehr unsere Instrumente sehen können. Unsere Performance sprudelt nur so vor Energie und wir werden am Schluss auch nicht mehr von der Bühne gelassen. Irgendwann ist unser Repertoire dann aber vollends ausgeschöpft und wir ergeben uns der Golling Party. Eine Viatnamesentussi (das soll jetzt nicht irgendwie rassendiskriminierend rüberkommen, aber sie ist wirklich eine Tussi, ich kenne kein anderes Wort dafür, sorry) führt mir ihre Digicam vor, mit der sie ihren „Freund“ während unserem Konzert Fotos von mir und ihr machen liess. Zu erst hat sie mir mit ihrer Ich-strecke-meinen-Po-dem-Schlagzeuger-entgegen-Pose  die so HiHat weggedrückt, dass ich sie bei Peter Pieks 2nd Dream nicht mehr traf, dann sass sie mir zwischen zwei Songs plötzlich halb auf dem Schoss um sicher zu gehen, dass sie mit mir abgelichtet wird. Und ich dachte, während eines Konzerts Rosen vom Kavalier angedreht zu bekommen sei die Krönung der bizarren Situationen dieser Tour. Nach unserem Abgang entert Andi stolz die Bühne und verkündet stolz den Gewinner des Dezibelwettbewerbs. Peter Piek siegt mit 106 dB, gemessen im Club, draussen war es permanent unter 45 dB still, ausser es bellte ein Hund. Da könnte ich auch nicht schlafen.

Viel später am Abend philosophiere ich noch mit Andi über die Moral von Rockclubs und lasse mich über Frau H. ohne Scham aus, während meine Bandmates mit irgendwelchen mehr oder weniger musikalischen Konzertbesucherinnen versuchen, den ohnehin schon gelungen Abend aufzuwerten. Es muss 4 Uhr werden, damit ich alle Getränkebons versoffen habe (halt nicht so effizient).


28
Nov 09

26.11.2009 Peter Piek @ Cafe Carina, Wien AT

Lest noch mal Tagebucheintrag Peter Piek Cafe Carina 2008 auf www.chrz.ch. Das Konzert verlief stimmungsmässig exakt identisch, obwohl wir unser Set der verkrampften Wienerheit angepasst haben und uns die Singer/Songwriterin, die uns in Amsterdam aufgesucht hat, supportet hat. Es war echt ein Messerstich ins Herz, mit anzuhören, wie schlecht der Mischer, der den einzigen Unterschied zum letzten Jahr darstellt, den Sound für diese Künstlerin eingestellt hat.

Bei uns hat er dann genau so einen auf unhörbar versucht zu machen. Sorry, aber wir machen immer noch Rockmusik. Wenn ich da bei dem lautesten Song mit Gehörschutzstöpseln in den Ohren immer noch die Leute lauter quatschen höre als ich kloppe und der Mischer, der gleichzeitig auch noch auf Chef de Bar macht, mir Handzeichen gibt, ich solle leiser spielen, stimmt irgend etwas nicht mehr. Zudem hat man die Getränkebons innert einem Jahr von 6 auf 3 gekürzt und die gelten jetzt auch für unalkoholische Getränke. Ein Wunder, dass ich einen halben Liter Hahnenwasser umsonst erhalten habe. Schalomm. Und Peter bestellte sich einen Gin Tonic, um diesen quatsch herunter zu spülen, worauf die Barkeeperin ihm noch 50 Cent Aufpreis auf den Getränkebon heuschen wollte. Hallo? Peter lief natürlich kopfschüttelnd davon, den Gin Tonic in der Hand. Später hiess es dann, die 50 Cent gehen aufs Haus. Wow. Schönes Wien. Carina auf die schwarze Liste!


27
Nov 09

19. bis 22.11.2009 Peter Piek The Italian Story And Driving Style

Ich sage es jetzt mal in Steads Worten in breitem Italoakzent: “Oh my god, they drive me crazy!“ Das erste von vier Konzerten in Italien, das in einem keine Ahnung wie coolen Club in Milano stattgefunden hätte, ist zwei Tage vorher grundlos abgesagt worden. Toll! Stead, unser Mann vor Ort, der uns schon letztes Jahr bei der Gipsy Attacke beigestanden hat, hat aber alle Hebel in Bewegung gesetzt und uns ultrakurzfristig einen Ersatzauftritt besorgt, der zwar niemals so lukrativ wie der Abgesagte sein wird aber lieber das als gar nichts. Egal was man von den Italienern hält, aber in der Musikszene herrschen hier noch Zustände, von denen wir nur träumen können. Wir können in einem Kaff vor Milano in einem Studentenclub namens Il Circolo spielen. Da spielen heute Abend zwei Bands und wir können uns noch davor pflanzen und eine halbe Stunde einheizen. Dafür erhalten wir einen Platz am nach italienischer Manier gedeckten Tisch. In Italien ist es üblich, dass vor dem Konzert alle Mitwirkenden an einer Tafel sitzen und zusammen essen bis genug. Es ist immer sehr familiär und niemand geht hier hungrig oder durstig auf die Bühne. Sonst „Mama mia!“ Um 21.45 beginnt unsere halbe Stunde. Wir sind von der langen Fahrt dermassen von der Rolle dass ich mir bis zum Moment, in dem ich die Bühne betrete eigentlich nur vorstellen kann, ins Bett zu gehen als ein Konzert zu klopfen. Doch vom ersten Schlag an bin ich hellwach und wir toben uns aus. Wir sind schliesslich Musiker und nicht internationale Taxifahrer. Das hier ist die einzige halbe Stunde an diesem Tag, in der wir Musik machen können, also geniessen wir es entsprechend. Die Leute, die hier den Abend verbringen, verteilen sich an die zahlreichen Tische in der etwas übermotiviert grossen Halle vor uns. Der Club war wohl früher mal eine Lagerhalle oder ein Supermarkt und jetzt hat man eine ziemlich fette Lautsprecheranlage reingestellt und es gibt regelmässig Konzerte umsonst. Klar ist, dass die Leute eigentlich hier sind, um zusammen abzuhängen und es spielt gar keine Rolle, ob eine Band spielt oder ob eine Platte läuft. Diesem Umstand zum Trotz kriegen wir allerdings ziemlich viel Aufmerksamkeit und die abgefahrene Jazz Rock Gruppe aus Luxemburg, die nach uns spielt, spielt zwar in einem Takt 100 mal mehr Töne und ein mehrfaches virtuoser als wir, scheint aber damit den Draht zum Publikum, den wir aufgebaut haben eher zu zerschneiden als weiterzuspinnen.
Stead, der die jetzt einen zivilisierten Haarschnitt, der besser zu seiner Freundin passt trägt und den ganzen Abend nur Sprüche gegen Schlagzeuger von sich gibt, lässt uns danach in seiner Wohnung in Milano pennen. Diesmal soll der Aufenthalt bei ihm nicht wieder zum gleichen Desaster führen wie letztes Jahr, weshalb wir unser gesamtes Equipment in die Wohnung hochtragen. Stead hat uns diesmal auch noch in einer weiteren Angelegenheit geholfen, nämlich bei der Abwicklung unseres Kurierdeals mit dem Coodenamen „Turtles“. Ja, wir hatten unter anderem äusserst spezielle Mitfahrgelegenheiten von Köln nach Milano: Drei kleine Schildkröten. Für die machte Stead telefonisch den Übergabetermin in Milano klar. Es ist unglaublich, wie lange ein italiener dafür an der Strippe hängen kann. Es ist schön, Stead und seinen Mitbewohner unter normalen Umständen wiederzusehen und wir lernen die beiden von ihrer entspanntesten Seite kennen.
Das nächste Konzert findet dann in Pavia statt. Ich glaube es ist Freitag. Ich habe mittlerweile die Übersicht über Wochentage verloren. Der Club heisst Spazio Musica und ist Tourtagebuchlesern ebenfalls vom letzten Jahr bekannt. Pavia, eine Stunde südwestlich von Milano hat einiges an Schönheit zu bieten, deswegen sehen wir auch zu, dass wir zeitig da sind. Pizza, Capuccino. Im Club tauchen wir pünktlich und ohne Hilfe des Navigationsgeräts auf. Zu pünktlich, denn hier kommt man grundsätzlich zu spät um pünktlich zu sein. Alles läuft dann wie gehabt, ausser dass der Pavia Effekt von letztem Jahr ausbleibt. Die Leute lassen sich nicht zum Tanzen bewegen, obwohl es eine Gruppe junger Männer vorne rechts erst wohlwollend versucht. Das Problem ist eindeutig, dass die Mischung des Publikums nicht stimmt. Es sind deutlich mehr Männer da und die anwesenden Frauen haben alle ihren Hengst dabei. Da gehen die Typen vorne rechts leider leer aus und ihre Tanzbeine waren sowieso ein bisschen verkrampft. Trotzdem ist die Stimmung freundlich und die Show geht gut über die Bühne. Nach dem Konzert verziehen wir uns in die Wohnung des Clubbesitzers um mal wieder richtig zu schlafen. Die letzten beiden Nächte waren einfach zu kurz und wir haben noch mehr als die Hälfte der Kilometer vor uns. Peter probiert sich aber erst noch durch die abgelaufenen Fressalien im Kühlschrank und stellt fest, dass es schon was wahres hat, wenn ein Italiener sagt, die Sachen im Kühlschrank seien nicht mehr essbar. Immerhin liegt das Verfalldatum des Mozzarellas einen Monat zurück.
Am nächsten Tag brechen wir Richtung Rom auf und kriegen es als erstes mit einer Schrecksekunde zu tun, als wir das Ziel, Alatri, im Navi eingeben: Ankunftszeit 23.45 Uhr! Nach nervösem herumdrücken finde ich dann raus, dass die Fahrt so lange dauerte, wenn man kostenpflichtige Autobahnen meiden würde. Wir haben aber vor die ungeheuren Kosten auf uns zu nehmen und nehmen den schnellsten Weg. Das nächste Problem mit dem Navi bahnt sich dann auf halber Strecke an: Irgendwie ist die Steckbuchse für die Stromversorgung kaputt gegangen. Rom ohne Navi? Niemals! Mit Gaffa Tape (Sehr starkes Faserklebeband, Ausrüstungsgegenstand Nr.1 eines Musikers auf Tour) lässt sich zum Glück alles reparieren. Erst finde ich aber mein Gaffa nicht, was meiner Stimmung gar nicht gut kommt, denn ohne diese Rolle kann ich nicht arbeiten, nein, nicht leben!! Doch peter hat auch Gaffa und dann führt uns das Navi 80 Kilometer westlich von Rom durch die Pampa, abseits der Autobahn über Pässe durch die rauchgetünchte einbrechende Nacht. Um 20 Uhr erreichen wir das Bergkaff Alatri und glauben uns schon fast nicht mehr auf dem Europäischen Kontinent. Wir steuern unseren Tourbus durch die engen Gässchen der alten Stadt und finden diesmal den Club trotz Navi nicht. Ratlos parken wir den Bulli (so nennt der Deutsche den Tourbus, für mich klingt das eher nach Erntefahrzeug, aber egal) auf einem Platz unterhalb der Stadtmauer und wollen den Club zu Fuss suchen gehen. Kaum sind wir aus dem Bus ausgestiegen, ruft jemand „Piiter“. Der Clubbesitzer Nilo, ein glatzköpfiger, strammer junger Mann steht oben an der Mauer und winkt uns zu sich. Wie lange der da wohl schon gewartet hat? Und woher wusste er, dass wir hier parken? Unwichtig. Er empfängt uns sehr herzlich, hat sich offenbar sehr gefreut, flankiert von zwei indiemässig gestylten Typen, die gerade Zigaretten rauchen. Ehm, halt mal, die sind doch allerhöchstens 12 Jahre alt! Nilos Dada Club, scheint so etwas wie ein Jugendtreff zu sein. Aber was ist mit dem immensen Alkoholsortiment hinter der Bar? Also entweder kennt die Jugendschutzbehörde Alatri nicht oder in Italien gibt es keinen Jugendschutz. Zwei höchstens 14 Jährige Girls bestellen sich einen reichhaltigen Cocktail und stürzen ihn schneller runter als ich mein Schlagzeug aufbauen kann und darin bin ich mittlerweile wirklich sehr schnell. Nach dem Soundcheck werden wir erneut wohl verpflegt und danach beginnt einmal mehr das lange Warten auf den Auftritt. Es ist Samstagabend und in der Stadt ist Brautschau. Die Teenies stolzieren ihre Runden durch das Städtchen und halten sich nie länger als 15 Minuten unter einem Dach auf. Es ist ein nervöses Geläufe und obwohl ausser unserem Konzert in der Stadt heute eigentlich nichts los ist, ist der Club fast leer, als wir um 23 Uhr spielen sollten. Wir zögern den Beginn des Konzerts raus und als wir dann endlich anfangen, hat es zwar etwas mehr Leute aber das Rein-Raus Spiel nimmt kein Ende. Es nervt ziemlich, wenn man das Gefühl hat, niemand hört einem zu und Peter beginnt wieder mit der Kölner Masche „ich behandle mein Publikum wie einen Misthaufen“. Da dieses Thema mit Peter immer noch nicht diskutiert wurde, bleibt mir nichts anderes übrig, als dem Bandleader meine Entrüstung mit aggressivem Spiel zu zeigen und versaue dadurch unabsichtlich einen wichtigen Akzent. Sehr unprofessionell von mir und sofort reisse ich mich zusammen. Die Message scheint aber angekommen zu sein und der Mann reisst sich ebenfalls zusammen, wir wenden das Blatt und das Ganze entwickelt sich doch noch zu einer langen und unterhaltsamen Show. Die Menschentraube (Durchschnittsalter 15 Jahre) vor der Bühne wächst mit der Zeit und am Ende, als wir die allerletzte Zugabe spielen wollen, kommt Nilo zur Bühne und bittet uns „In Your Eyes“ zu spielen. Natürlich erfüllen wir ihm diesen Wunsch worauf er wie ein kleines Kind strahlt und den Song mit seiner Freundin in den Armen liebkosend geniesst. Danach bedankt er sich in italienischer Manier bei uns. Kiss Kiss.
Nach dem Konzert setzen wir uns an einen Tisch abseits der Leute und Peter muss eine Moralpredigt zum Thema „Wie behandelt man ein schwieriges Publikum“ von mir und Lucka über sich ergehen lassen. Irgendwann werden wir uns einig und gesellen uns wieder zu Nilo, der den Laden dicht machen will und irgendetwas von Cappuccino stammelt. Wir packen unseren Kram in den Bus und folgen Nilos Wagen durch die Gegen. Erst muss er seine Freundin nach Hause bringen, dann sucht er die ganze Umgebung von Alatri nach einer, jetzt (Sonntagmorgen 03.30 Uhr) noch offenen Cappuccino Bar ab. Eigentlich wollen wir nur noch pennen, aber wir wollen der Gastfreundschaft nicht Knebel zwischen die Beine werfen und trinken in Frosinone Cappuccino mit Nilo und seinem Kumpel, der ziemlich angetan ist von Peters Malerei. Die Beiden scheinen total Fan von Peter zu sein und sind total happy, dass sie mit uns abhängen können. Scheint hier auch üblich zu sein, mitten in der Nacht noch Kaffee trinken zu gehen. Nilo bringt uns dann zu sich nach Hause zum Übernachten. Der Hahn kräht schon, als wir auf der Olivenfarm, wo er bei seinen Eltern wohnt, ankommen. Als wir uns ausgeschlafen haben (Milch im Kaffee macht es möglich) und uns gegen 14 Uhr verabschieden wollen, bittet uns Nilo erneut zu Tisch und Mama fährt einen ordentlichen Italienischen Dreigänger auf. Unglaublich lecker! Gegen 16 Uhr bedanken und verabschieden wir uns dann doch, obwohl wir uns gut vorstellen könnten, hier noch eine Woche zu bleiben. Bevor wir nach Rom fahren, sehen wir uns noch ein wenig Alatri an, dass auf jeden Fall auch sonst eine Reise wert wäre.
Die Fahrt nach Rom würde etwa eine Stunde dauern, dauert aber länger, wenn man die Staubewältigungstechnik der Italiener noch nicht drauf hat. Erneut profitiere ich von einer Lektion in authentischem italienischen Fahrstil. Wir schaffen es knapp rechtzeitig beim Lian Clup aufzutauchen, wo man uns schon erwartet. Der Club ist ziemlich cool und hier spielen gewöhnlich schon eher bekanntere Bands. Da wir heute keinen lokalen Support haben und dazu Sonntag ist, dürfen wir wohl nicht mit dem grössten Publikumsaufmarsch aller Zeiten rechnen. Aber es ist trotzdem toll, hier spielen zu können. Der Club, der ein gemütliches Jazzclubambiente hat, ist gut ausgerüstet, der Mischer ist sehr professionell und er mischt alles andre als jazzig. Er sagt zum Beispiel nicht, Peter soll seinen Gitarrenamp runter drehen. Nein, er stellt noch ein Mikrofon ran, um ihn gegebenenfalls verstärken zu können. Wir müssen uns beim Soundcheck sehr beeilen, denn jemand hat den Club für ein Geburtstagsfest vor unserem Konzert reserviert und darum muss der Lärm um 20 Uhr vorüber sein. Die Dame, die Geburtstag hat, trudelt dann auch pünktlich ein und macht sich mit ihren sehr gut aussehenden Freundinnen vor der Bühne über einen lecker bestückten Snacktisch her, von dem die Bedienung eben Lucka verscheuchen musste. Wir werden derweil an einem anderen Tisch genau so lecker verpflegt. Die darauf folgende Wartezeit vertreiben wir uns damit, am Navi und an der Setliste herumzuschrauben. Die Operation am Navi gelingt, die an der Setliste nicht. Mit bangenden Gesichtern schielen wir immer wieder zum Eingang, vergebens, denn da kommt einfach lange überhaupt niemand. Jedes Mal, wenn jemand von der Geburtstagsparty den Mantel holt, um draussen rauchen zu gehen, denken wir schon, das wars, wir können zusammenpacken. Aber zum Glück kommen die immer wieder rein und je später der Abend tauchen doch noch vereinzelt Leute auf, so auch Awa, die Frau, die uns das Ganze hier arrangiert hat. Während wir uns mit Awa und ihrem Freund, der uns heute auch seine Wohnung zum Übernachten zur Verfügung stellt unterhalten, schreibe ich schnell eine absolut neue Setliste. Wir können hier nicht unser übliches Programm durchziehen. Wir müssen das Ganze auf eine nicht zu lange Greatest Hits Kollektion zusammenstauchen, die aber trotzdem noch ihre Höhen und Tiefen hat. Schwierig, schwierig. Ich protestiere vor dem Konzert auch noch lauthals gegen die verpennte Stimmung, die unter uns gerade herrscht. Mit den schlimmsten Befürchtungen im Hinterkopf (Ich kenne ja diese Römerinnen nicht, aber Frauen, die da wo ich her komme so rumlaufen wie diese Cicas hier, suchen in der Regel das Weite, sobald sie eine elektrische Gitarre hören) gehe ich auf die Bühne und hoffe wie immer das Beste, was dann zur Rettung des Abends auch Eintrifft. Peter legt von A bis Z eine perfekte Show hin. All das, was wir ihm gestern angeprangert haben, setzt er um, als hätte er ein Jahr dafür geübt. Ok, wenn man das bestaussehendste Publkum vor der Bühne hat, ist das schon mal eine saubere Vorlage. Er bringt es aber fertig, dass das kleine Publikum nicht noch kleiner wird. Die Damen können kaum mehr still sitzen und sind entzückt von der überraschenden Darbietung, fotografieren, klatschen, tänzeln, lachen, wollen Zugabe. Heilfroh, dass wir die Party verlängert und nicht beendet haben, kommen wir von der Bühne und Peter baut, nachdem er natürlich seine Fanartikel an die Frau gebracht und Mailadressen gesammelt hat, sofort seine Equipment ab. Was ist denn jetzt los? Lucka und ich blicken uns fragend an. Hat jemand über Nacht Peter ausgewechselt? Normalerweise ist sein Kram der letzte, der nach dem Konzert die Bühne verlässt. Egal, rasch räumen wir den Bus voll, denn wir müssen schlafen gehen. Morgen fahren wir nach Bern, was ja nicht gerade um die Ecke ist und wir müssen noch einen Parkhauswächter bestechen, damit unser Van voll mit wertvollem Equipment bis morgen früh sicher ist.
Montag früh machen wir auf dem Weg nach Bern ein Italy In 8 Hours Sightseeing. Kolosseum Rom, Petersdom, Espresso in Florenz, Pizza in Parma und schon haben wir den Schweizer Nebel erreicht und lassen Pizza und Margherita hinter uns. Italien hat die volle Punktzahl erreicht und ich weiss jetzt, wie man mit dem Auto schneller von A nach B kommt.


27
Nov 09

18.11.2009 Peter Piek @ Blue Shell, Köln D

Der bis auf den letzten Platz ausgebuchte Tourbus rollt Richtung Köln, nachdem wir in Amsterdam nach einem gemütlichen Frühstück noch durch die Fussgängerzone in der Innenstadt geschlurft sind. Stau- und Gefahrenmeldungen unterbrechen immer häufiger das schlechte Radioprogramm. Von der Blechplatte über den Zementsack bis zum Dixieklo liegt heute alles auf der Autobahn herum und mit entsprechender Verspätung aber immer noch rechtzeitig tauchen wir in Kölns blauer Muschel (Blue Shell) auf. Ebbel, der uns schon letztes Jahr im MTC mit seiner Band unterstützt hat, ist schon in den Startlöchern und Soundcheckbereit, es fehlt nur noch mein Schlagzeug, das ich seinem Schlagzeuger Marius noch so gerne zur Verfügung stelle. Ich habe mich sehr auf diesen Abend gefreut, obwohl Köln ein hartes Pflaster für Bands ist. Überall sind die Deals so schlecht, dass man letztendlich meist drauflegt. Das steht in einem ziemlich direkten Zusammenhang, dass hier sehr viele gute Musiker rumlaufen und das Angebot an guten Bands eigentlich übersättigt ist. Ebbel ist genau so ein Typ, der sehr gut ist (und dazu so was von auf dem Boden geblieben) und die Performance seines Schlagzeugers Marius hat mich letztes Jahr so beeindruckt dass sie mir seither nicht mehr aus dem Hinterkopf gewichen ist. Wenn man so wie ich unterwegs ist, laufen einem immer wieder Vorbilder über den Weg und wenn man sie nach einer gewissen Zeit wieder im gleichen Zusammenhang trifft, ist es spannend herauszufinden, was man aus der Begegnung gelernt hat. Marius spielt sehr groovig und songdienlich mit einer perfekt bemessenen Prise Verspieltheit. Dazu setzt er sich optisch gut in Szene ohne sich in den Vordergrund zu drängen und wertet damit die Bandperformance zusätzlich auf. Der Marius Style, von dem ich mir gerne eine Tranche abschneiden würde. Und abgesehen davon mag ich ihn auch als Person obwohl wir bis heute eigentlich nur wenig mit einander gesprochen haben.
Ebbel macht als einzige Band Soundcheck, als alles auf die Bühne gestellt ist und dann gehen wir zum gleichen preiswerten aber guten Inder essen wie vor einem Jahr, da man hier im Club auch nicht verpflegt wird. Köln halt. Ich spiele jetzt zum zweiten Mal in Köln, doch kommt es mir vor, als hätte ich schon hundert Mal hier gespielt und es läuft immer genau gleich.
Zurück beim Club sind schon paar Leute da allerdings nicht genug, damit wir heute etwas verdienen würden. Mich stresst das nicht. In unserem Tourbudget steht hinter Köln eine Null und ich freue mich trotz den Umständen darüber, heute in einem Club zu spielen, vor dem ich schon Mal vor verschlossenem Tor stand und dachte, hier möchte ich auch irgendwann mal spielen, weil mir der Club einfach gefällt. Da habe ich also schon Schlimmeres über mich ergehen lassen müssen, keine Frage. Ebbel beginnt um 20.15 Uhr sein Set, dass er zugunsten der nach ihm spielenden Bands kurz hält, obwohl die Leute eigentlich mehr von ihm hören möchten. Danach sind wir dran. Ebbel und Co. stellen sich vor der Bühne auf und sind gespannt was da kommt und ich gehe mit einem guten Gefühl auf die Bühne. Was aber in den nächsten 45 Minuten geschieht, ist die gnadenlose Hinrichtung dieses guten Moods. Wir beginnen das Set mit einer kleinen Setlisteumstellung, die schon Mal überhaupt nicht funktioniert. Gut spielen wir aber trotzdem (ich glaube, ich kann langsam aufhören das zu erwähnen, es sei denn es ändert sich). Das Publikum ist ein bewegungstechnischer Betonklumpen und Peter passt das gar nicht. Er versucht dem Publikum was einzureden von wegen nach vorne kommen, worauf es allerdings überhaupt nicht anspricht. Das fuchst ihn ziemlich und sein zunehmend unfreundliches Verhalten unterschreitet dann denn unteren Grenzwert meiner Toleranz. Ich halte einmal aktiv dagegen, in der Hoffnung, die Handbremse an Peters Pöbelmodus zu finden und jemand ruft darauf hin „aber wenigstens ist ein netter Schweizer in der Band“. Da haben wir das Geschenk. Lucka bleibt während der ganzen Show ganz still und er fragt sich wohl das Selbe wie ich während des ganzen Konzerts. Wir gehen ohne Zugabe von der Bühne wobei ich ganz genau weiss, dass eine Zugabe drin gelegen hätte, wäre das Publikum mit mehr Respekt behandelt worden. Ich bin ja auch nicht der Typ, der als Bandleader jedes Idiotenpublikum mit Samthandschuhen behandelt, aber was Peter hier von sich gegeben hat, also nein, dahinter kann ich nicht stehen. Peter kommt nach dem Gig zu mir und erzählt was wie die sind aber scheisse drauf gewesen worauf ich ihm die Worte „du warst so ein Arschloch“ ins Ohr lege. Das ist dann eigentlich auch das einzige, was ich ihm an diesem Tag noch zu sagen habe. Den Rest des Abends rede ich kein Wort mehr mit ihm. Ich gehe frische Luft schnappen und höre wie enttäuschte Konzertbesucherinnen über Peter diskutieren. Ich wage mich wieder rein und werde von der Sängerin von Marius anderer Band in Beschlag genommen und in ein Gespräch verwickelt. Ich bin heilfroh darüber, daran gehindert zu werden, mich in meine Unzufriedenheit hineinzusteigen. Auch Marius, der das ganze Konzert über vor der Bühne stand, wechselt noch ein paar Worte mit mir und meint ich hätte in meinem Spiel gegenüber dem letzten gemeinsamen Konzert einen Zacken zugelegt. Das ehrt mich und ich verschweige ihm nicht, dass er daran nicht unschuldig sei. In diesem Moment ist für mich Köln gelaufen. Gut gelaufen! Ich fasse neuen Mut und bin wieder in der Lage Peter normal zu begegnen, doch die Stimmung ist immer noch angespannt, als wir uns wenig später in einer Kneipe um die Ecke treffen, um gemeinsam zum Pennplatz zu fahren. Das heute Geschehene jetzt noch auszudiskutieren lassen wir sein. Wir sind auf den Felgen und es bleiben uns nur 4 Stunden Schlaf bis wir morgen nach Milano aufbrechen müssen. Wir werden den Bus voll Mitfahrer haben und wann die nächste Gelegenheit, reinen Tisch zu machen ist, steht in den Sternen.


20
Nov 09

17.11.2009 Peter Piek @ Jet Lounge, Amsterdam NL

Nach dem ich mir am freien Tag einen heftigen Muskelkater bei Luckas buy cialis 5mg Konsolenspielboxen geholt habe, steuern wir Amsterdam entgegen. Um unsere Spritkasse aufzubessern, nehmen wir auf langen Fahrten Mitfahrgelegenheiten mit, die so zu einem verhältnismässig günstigen Preis eine lange Strecke fahren können. Heute ist es ein Filmmensch aus Zypern, der von Filmfestival zu Filmfestival reist. Wir planen unsere Ankunft auf 17 Uhr, obwohl wir eigentlich am liebsten viel früher in Amsterdam sein würden, um uns die Stadt noch anschauen zu können, aber wer Amsterdams Parkgebühren kennt, weiss, dass wir uns das niemals leisten können. In der Jet Lounge ist natürlich auch noch niemand da, als wir ankommen, dann fahren wir eben zum anderen Club, in dem heute auch noch Peters Konzert stattfindet. Ja, Peter, darf hier heute gleich zwei Mal spielen. Er hat vor zwei Wochen irgendwo in Potsdam an einer Fahrplantafel per Zufall John Watts, den Sänger der Britischen 80er Band Fisher Z, den er auch persönlich kennt getroffen, mit ihm etwas blabla gemacht und somit einen spontanen Supportauftritt an Watts Konzert, im nur gerade mal feinsten Laden Amsterdams, nämlich im Paradiso gemischelt. Beim Paradiso ist die Parksituation nicht besser und im Künstlerparkbereich ist schon alles mit anderen Tourbussen zugeparkt, also müssen wir leider doch 4 Euro für eine Stunde Auto alleine lassen hinblättern.
Wir dürfen mit Peter zum Soundcheck rein. Peter spielt hier alleine mit der Gitarre und der Laden übertrifft wieder mal alles was ich bislang gesehen habe. Aber Lucka und ich haben eigentlich überhaupt nichts mit der Sache zu tun und das einzige, was wir davontragen, ist ein Backstagepassarmbändchen vom Paradiso, das wir den Rest der Tour tragen werden, ohne je da gespielt zu haben.
Während Peter vor vollem Haus drei seiner Songs zum Besten geben darf und dabei herausfindet, dass die 80er Fans mittlerweile auch schon ziemlich in die Jahre gekommen sind, fahren Lucka und ich zur Jet Lounge und krüppeln das ganze Equipment eine schmale Treppe hoch, während der Amerikanische, seines Zeichens sehr erfahrene Exberufsbassist für 20 Jahre seines Lebens, langsam Angst um seinen Laden kriegt, als er die ganzen Dezibelwaffen sieht, die wir aus unseren Taschen auspacken. Mangels Platz kann ich nur die Hälfte der Schlagzeugteile, die ich auf dieser Tour benütze aufstellen und die Drumstickabnützung wird heute gleich null sein, denn der Expunkrocker, dem der Laden gehört, versucht mich schon wieder zum Besenspiel zu überreden, was ich ihm aber entschieden ausrede. Lucka ist mittlerweile sehr still geworden, was bedeutet, dass der Magen einen absoluten Tiefststand erreicht hat. Mir geht es mindestens genau so und wir gesellen uns in die Pizzeria nebenan und nutzen die Wartezeit bis Peter im Paradiso abgesahnt hat, um uns zu sättigen.
Peter taucht nach 9 Uhr auf, ebenfalls hungrig und tut mit seiner Freundin erst mal das Selbe wie wir vorher, während der Amerikaner uns Plastikdollars für unsere Konsumation aushändigt. An der Bar sitzt auch eine Wiener Singer/Songwriterin, die momentan in Amsterdam Konzerte spielt und uns anscheinend von einem Konzert letztes Jahr in Wien kennt und der Holländer, der uns hier als Supportact und Publikumsmagnet (für 5 Personen, wohl bemerkt) unterstützt, greift bald in die Tasten und spielt seine zwei kurzen, freakigen und ziemlich witzigen Sets an einem Stück. Später wären dann wir dran und der Ami fragt mit seiner heruntergekommenen Stimme „Where the fuck is your fucking singer??“ Woher sollen wir das wissen? Und wir erzählen ihm die Geschichte aus Leipzig, Moritzbastei, Herbst 2008. Ami gröhlt. Irgendwann ist Peter dann doch am Start, hat sich eben nur schnell zwei „Vorgerollte“ besorgt und jetzt drehen wir die Verstärker noch leiser als jemals zuvor. Wir beginnen zu spielen und die erste Hälfte des Konzerts begleitet uns ein kaum erträgliches Fiepen und Brummen der Lautsprecheranlage, die total ungünstig für Konzerte eingebaut ist und zudem wohl falsch bedient wird. Irgendwann findet dann der Amerikanische Punkrockveteran heraus wo es koppelt, behebt das Problem, kippt stolz einen Whiskey runter und erklärt dem halben Publikum seine Heldentat. Obwohl wir unglaublich leise spielen, haben wir unglaublichen Spass und das Publikum applaudiert unglaublich laut für seine Grösse. In einem Song, den ich zum grössten Teil einarmig spielen kann, proste ich dem Ami mit der anderen Bierglas haltenden Hand zu, da er eben so nett war und uns ein zusätzliches Freigetränk in den Bühnenbereich gebracht hat. Meine Geste bringt ihn schier aus dem Häuschen, was mich motiviert, des Öfteren mal ein Bisschen die Stöckchen in die Luft zu werfen, wenn ich sie nicht gerade zum Spielen brauche.
Am Ende des Konzerts fragt dann die Wienerin, ob sie auch noch ein paar Songs spielen darf, was wir ihr natürlich erlauben und ganz am Ende begleiten wir sie auf ihren Wunsch noch spontan bei einer Instrumentalnummer. Sie spielt Klavier und wir unsere Instrumente. Da der Sound im Bühnenbereich aber so schlecht ist, dass man das Klavier kaum hört, müssen wir ihr die ganze Zeit auf die Finger schauen, um zu wissen was sie spielt. So neigt sich der Abend dem Ende zu und wir haben die Wahl zwischen Jugendherberge (mit Kosten verbunden) und Schlafen im Club (eingesperrt sein bis 10 Uhr). Da der Club sehr gepflegt ist, nicht stinkt und einigermassen bequeme Sofas hat, entscheiden wir uns ausnahmsweise und gegen meine Prinzipien dafür, hier das Nachtlager aufzuschlagen. Punkt 10 Uhr morgens kommt der Ami dann zurück um uns raus zu lassen und giesst sich als erstes Mal einen Burbon ein.


17
Nov 09

15.11.2009 Peter Piek @ Cafe Milargo, Münster D

Es regnet zwar zeitweise und wir hatten genug Dreisterneschlaf, eine gepflegte Dusche und ein ordentliches Frühstück, aber ich komme bis 16 Uhr nicht ohne Sonnenbrille aus und hänge wie eine abgestürzte Fledermaus im Tourbus. Holländisches Bier ist eine Substanz, die schon in minimalen Dosen tödlich ist. Nur habe ich das von meinem letzten Hollandbesuch nicht mehr so in Erinnerung. War ich damals so viel jünger? Egal, da man ja im Alkohol-Promillewert meines Blutes von gestern keine Spuren findet, kann ich ohne schlechtes Gewissen trotzdem irgendwann auch mal den Tourbus steuern und wir erreichen Münster im Regen gegen 17 Uhr. Bis die Leute vom Cafe Milargo, das eigentlich eine Unimensa ist, da sind, machen wir noch einen kleinen Stadtrundgang mit Sandwicheriahalt, wo ich an meinem Tourtagebuch weiterschreibe, während Peter versucht, die Bedienung zu einem Konzertbesuch zu überreden.
Zurück beim heutigen Veranstaltungsort, bauen wir routiniert unser Equipment auf und passen unsere Instrumente den heutigen, eher anspruchsvollen Bedingungen an. Der Raum erweist sich durch Luckas Schnalztest akustisch nicht gerade als trocken und auch Lautstärketechnisch müssen wir heute so fest drosseln wie es geht. Das Schlagzeug wird hier nicht verstärkt und ich stimme die Bassdrum so, dass das Podest auf dem wir spielen zum natürlichen Verstärker wird, in dem ich die Frequenz suche, bei der das Ding bei jedem Paukenschlag synchron mitschwingt. Gesucht, gefunden. Am Gitarrenverstärker wird auch an den Frequenzen manipuliert, bis das ungeschützte Ohr im leeren Saal keine Schmerzen mehr kriegt und durch abkippen des Verstärkers Richtung Peters Kopf wird sichergestellt, dass er, der sowieso nie genug davon hat, auch die volle Ladung von dem, was da jetzt noch rauskommt abkriegt. Wir kriegen einen sehr warmen, druckvollen aber nicht zu lauten und gut verständlichen Sound hin und sind ein bisschen stolz auf diese Meisterleistung. Es ist immerhin Sonntag und die Nachbarn seien schon etwas gereizt. Ein weiterer Grund, warum wir uns so anpassen müssen ist, dass wir heute Abend einen Pooetryslam musikalisch untermalen. Da sitzt das Publikum in grosser Zahl im ganzen Raum verteilt an Bistrotischen und möchte nach unserer dreiviertelstündigen Einleitung natürlich noch etwas von den Stimmen der Poeten hören und nicht gleich taub sein. Auch diese Veranstaltung ist eigentlich ein Experiment mit uns und wir sind alle guter Dinge, dass es funktionieren wird.
Pünktlich um 20 Uhr füllt sich der Laden relativ schnell. Der Poetryslam ist hier immer gut besucht und davon können wir jetzt, im Gegensatz zu gestern Abend, voll profitieren und zu einer sehr frühen Zeit vor einem vollen Laden performen. Das tun wir dann auch, nach dem wir abnormal nervös in einer Ecke gesessen haben und darauf gewartet haben uns den Poetryhungrigen, die zum Teil schon wieder gehen wollten, als sie die ganzen Instrumente auf der Bühne sahen und sich im Tag geirrt zu haben glaubten. Während des ersten dreiviertelstündigen Sets wird schnell klar, dass sie für uns mehr als erwartet übrig haben und sie mutieren zu unserem Zielpublikum, das wir dann auch gezielt abschiessen. Es dauert zwar etwas lange, bis wir das Eis definitiv brechen. Erst als wir ein paar musikalische Schnitzer bieten und uns dann gekonnt und grinsend aus der Affäre ziehen und Lucka Peter bei seinen Ansagen reinquatscht springt der Funke endgültig und wir gehen bei einem sehr warmherzigen Applaus von der Bühne. Jetzt slammen sich die Peotryakrobaten. Zwei von ihnen sind überaus gut und hauen mich, obwohl ich weder viel davon verstehe, noch grosses Interesse als Konsument dieser Kunst habe schlicht aus den Socken. Auch die anderen drei sind eigentlich besser als solche, die ich schon im Fernsehen gesehen habe, wenn vielleicht noch nicht so packend und routiniert, aber das wird schon noch. Nach einer halben Stunde ist der Slam dann auch schon vorbei und wir dürfen das Publikum wieder unterhalten, während der Veranstalter die Publikumsstimmen für die Schreiber/Leser auszählt. Erst heisst es aber, wir sollen mit Besen und leise spielen, da die Nachbarn nicht so zufrieden sind wie das Publikum. Das wäre aber nicht das was das Publikum und wir wollen und wir einigen uns auf 20 Minuten volle Kanne mit anschliessender Nachtruhe für die armen Nachbarn. Das erweist sich dann auch als einzig richtige Entscheidung, denn die Mädels in der vordersten Reihe können sich kaum noch auf den Stühlen halten. Die Stimmung ist perfekt und ich glaube wenn wir Sie nur einmal aufgefordert hätten, aufzustehen hätten sie das gemacht und das ganze wäre zu einer üblen Tanzparty verkommen. Dazu kommt es dann aber nicht, da die 20 Minuten verdammt schnell vorüber sind. Doch so einfach lassen sie sich nicht abspecken. Schon lange nicht mehr kamen die Zugaberufe so schlagartig und der Wunsch ist uns Befehl. Das Nicken des Veranstalters ist unser grünes Licht und wir bedanken uns passend mit „what about the ladies“.
Die Gage die, hier zwar ein zehntel der Gage von gestern ist, wird dann wohlwollend verdoppelt und beim Vergleich mit dem Konzert gestern vor leerer Hütte, bei dem aber sonst alles aus dem Traumbuch eines Musikers auf Tour abgeschrieben wurde, stellt sich heraus, dass ein gutes Publikum eben doch immer noch am wichtigsten ist. Geld macht bekanntlich nicht glücklich. Aber von was lebst du?


16
Nov 09

14.11.2009 Peter Piek @ De Nieuwe Nor, Heerlen NL

Ich fühle mich, als ob man mein Gehirn getoastet hätte, als ich in Heerlen ankomme. Auf dem Weg hier her mit dem Tourbus haben mich auch schon mal zwei Mitfahrgelegenheiten verarscht. Sie sind einfach nicht aufgetaucht sind. Eine weitere hat dafür die mittlere Stunde der Strecke etwas aufgelockert, ansonsten hätte ich wohl jetzt ein totales Blackout von den 136547 Spurstreifen, an denen ich vorbeigesaust bin. Und die Strecke von Dortmund bis Heerlen durfte ich zum Glück als Beifahrer absitzen, da Lucka da zugestiegen ist und das Steuer in die Hand genommen hat. Zudem habe ich letzte Nacht schlecht geschlafen und bin hungrig. Wer mich kennt, weiss, dass das nicht unbedingt optimal ist.
De Nieuwe Nor ist ein absolut cooler Laden. Total modern und bestens organisiert. Die Mannen sind schon an der Arbeit und Peter ist auch schon da, nervös und froh uns zu sehen. Er hat eben gerade eine 3 mal 4 Meter grosse Leinwand auf den Boden geklebt, auf die er heute, während des Konzerts, ein Bild malen wird. Derweil rollen wir unser Equipment rein. Ja, die Zeiten sind vorbei, in denen wir unsere Rücken unnötig malträtieren. Lucka und ich haben sämtliche Sackkarren, die wir besitzen in den Tourbus gepackt, denn wir haben ja Platz ohne Ende, was unserer Tour in eine völlig neue Dimension hebt. Peter sagt es auch immer wieder: „Wow, Tourbus, eine Tour mit Tourbus, unglaublich!“ Das ist nicht das einzige, was den heutigen Abend von Gewohntem aus der Vergangenheit unterscheidet. Die Gage ist heute massiv hoch. Wir dürfen in einem Hotel schlafen, das 3 Sterne über dem Namen trägt (es ist ziemlich gepflegt, bis auf die Teppichböden, die aussehen, als ob sie gerade rausgerissen werden, was auch so ist, denn das Hotel befindet sich im Umbau) und das Nachtessen wird uns in einem todschicken Tapasrestaurant im obersten Stock eines topmodernen Glashauses serviert, Blick über die ganze Stadt. Als wir da beim Abendessen sitzen, bin ich irgendwie voll überfordert. Wir sollten bestellen und die Karte ist ausschliesslich in Holländisch verfasst und anscheinend schon der Holländischen Stagecrew, die mit uns hier isst, zu kompliziert.
Als dann die Miniportionen doch über verschiedene Kommunikationsarten bestellt sind serviert werden hört Peter nicht mehr auf, mich auszulachen. Ob das am bizarren Anblick eines sehr hungrigen Schweizers vor einer Portion Tapas oder an dem Angebot gewisser, in Holland gut erhältlichen Substanzen, die er wohl in den letzten Tagen reingezogen hat liegt, sei dahingestellt.
Um halb neun, werden wir dann schon wieder zurück in den Club verfrachtet, wo wir umgehend auf die Bühne zitiert werden. Niemand da. Ich habe auch nichts anderes erwartet, denn um diese Zeit kommt nie und nirgendwo jemand zu einem Konzert einer unbekannten Band, auch nicht, wenn da live ein Bild gemalt wird, auch nicht wenn es gratis ist, auch nicht, wenn sich der Bassist auf der Bühne ausziehen würde. Höchstens, wenn man Flyer verteilt an gelangweilte Touristinnen, die dann neben den Angestellten das einzige Publikum darstellen. Wir spielen eine schöne Kollektion der greatest Peter Piek Hits und bei jedem Song, der einen Part hat, bei dem Peter nicht mitspielen muss, springt er von der Bühne, mischt Farben an und pinselt wild auf seine Leinwand ein. Bei jedem Song eine andere Farbe, dann kommt er wieder auf die Bühne und spielt weiter. Die Malsequenzen gehen jeweils bis zu fünf Minuten und ich darf unter Beweis stellen, dass ich so lange den gleichen Rhythmus durchziehen kann ohne Variation, so wie Peter es mir vor der Show eingeschärft hat. Beim Underwater Death Song spielt Lucka mit und da es der letzte Song ist, ist mir Peters Befehl schnurz und ich improvisiere ein bisschen und versuche Peters Pinselstriche zu betonen, was dann dazu führt, dass Lucka mir hinterher erzählt, ich habe ihn da fast aus der Bahn geworfen, weil ich die 1 ganz schön versteckt habe. Was ich jetzt sage, wollte ich eigentlich zugunsten Luckas gutem Ruf nicht erwähnen, doch wer die ganze Zeit frech zu mir ist, hat nichts anderes verdient: Die 1 wird in dem Teil des Songs gar nie gespielt. Da kannst du lange suchen. Ha. Jetzt hab ich dich aber schön blossgestellt, he? Stephan?
Die fünf offiziellen Zuschauerinnen verstehen offenbar nicht viel von dieser Malerei- und Musikperformance, schauen aber trotzdem gespannt zu, denn so etwas haben sie in ihrem zarten Alter bestimmt noch nicht gesehen und werden auch nicht so schnell wieder die Gelegenheit dazu haben. Die Leute vom Club sind begeistert und meinen nach dem Konzert, dass man das, was heute anscheinend nur ein Experiment war, unbedingt wiederholen muss und zwar an einem Freitag, da hier Konzerte immer Freitags und nie Samstags stattfinden. Ein weiterer Grund für die leere vor unserer Bühne also. Aber es lässt mich im Augenblick völlig kalt, dass da niemand war. Die Gage haben wir auf sicher und auch sonst war alles perfekt, so auch unsere Performance. Für einen Monat nicht zusammen gespielt (Ausser „while the sun“ im Admiralspalast) und ohne zu proben auf die Bühne, haben wir nämlich astrein gespielt. Und jetzt müssen wir innert 15 Minuten die Bühne räumen. Die Dubstep DJs, die heute Abend noch auflegen sind schon ganz nervös und meinen, in einer Viertelstunde fange ihre Party an und da seien noch keine Plattenteller auf der Bühne. Ich frage nur: „Welche Party? Sind ja keine Leute da.“ Aber alsjeblieft, der Kram ist natürlich pünktlich geräumt und die party kann serviert werden. Danach haben wir auch noch Teil an der Party, bei der wir das Durchschnittsalter massiv hochziehen. Hochgezogen haben wir vorher auch nochschnell das Bild, das Peter gemalt hat, bevor die Teenies gegen Abgabe von 5 Euro reintrampeln durften. Es hängt jetzt über den Köpfen der Party und trocknet da, während die Köpfe es bestimmt für eine psychodelische Deko halten. Wir kucken uns die Sache noch ein Weilchen an, ohne der Aufforderung der immer noch begeisterten Clubmitarbeiter, uns so richtig vollaufen zu lassen zu folgen. Wir trinken 3 Bierdje, was ja eigentlich nur ein Bier ist, wenn man sich mit Holländischen Massen etwas auskennt und haben davon am nächsten Tag einen Kopf als wären es 3 Mass gewesen.