Ich fühle mich, als ob man mein Gehirn getoastet hätte, als ich in Heerlen ankomme. Auf dem Weg hier her mit dem Tourbus haben mich auch schon mal zwei Mitfahrgelegenheiten verarscht. Sie sind einfach nicht aufgetaucht sind. Eine weitere hat dafür die mittlere Stunde der Strecke etwas aufgelockert, ansonsten hätte ich wohl jetzt ein totales Blackout von den 136547 Spurstreifen, an denen ich vorbeigesaust bin. Und die Strecke von Dortmund bis Heerlen durfte ich zum Glück als Beifahrer absitzen, da Lucka da zugestiegen ist und das Steuer in die Hand genommen hat. Zudem habe ich letzte Nacht schlecht geschlafen und bin hungrig. Wer mich kennt, weiss, dass das nicht unbedingt optimal ist.
De Nieuwe Nor ist ein absolut cooler Laden. Total modern und bestens organisiert. Die Mannen sind schon an der Arbeit und Peter ist auch schon da, nervös und froh uns zu sehen. Er hat eben gerade eine 3 mal 4 Meter grosse Leinwand auf den Boden geklebt, auf die er heute, während des Konzerts, ein Bild malen wird. Derweil rollen wir unser Equipment rein. Ja, die Zeiten sind vorbei, in denen wir unsere Rücken unnötig malträtieren. Lucka und ich haben sämtliche Sackkarren, die wir besitzen in den Tourbus gepackt, denn wir haben ja Platz ohne Ende, was unserer Tour in eine völlig neue Dimension hebt. Peter sagt es auch immer wieder: „Wow, Tourbus, eine Tour mit Tourbus, unglaublich!“ Das ist nicht das einzige, was den heutigen Abend von Gewohntem aus der Vergangenheit unterscheidet. Die Gage ist heute massiv hoch. Wir dürfen in einem Hotel schlafen, das 3 Sterne über dem Namen trägt (es ist ziemlich gepflegt, bis auf die Teppichböden, die aussehen, als ob sie gerade rausgerissen werden, was auch so ist, denn das Hotel befindet sich im Umbau) und das Nachtessen wird uns in einem todschicken Tapasrestaurant im obersten Stock eines topmodernen Glashauses serviert, Blick über die ganze Stadt. Als wir da beim Abendessen sitzen, bin ich irgendwie voll überfordert. Wir sollten bestellen und die Karte ist ausschliesslich in Holländisch verfasst und anscheinend schon der Holländischen Stagecrew, die mit uns hier isst, zu kompliziert.
Als dann die Miniportionen doch über verschiedene Kommunikationsarten bestellt sind serviert werden hört Peter nicht mehr auf, mich auszulachen. Ob das am bizarren Anblick eines sehr hungrigen Schweizers vor einer Portion Tapas oder an dem Angebot gewisser, in Holland gut erhältlichen Substanzen, die er wohl in den letzten Tagen reingezogen hat liegt, sei dahingestellt.
Um halb neun, werden wir dann schon wieder zurück in den Club verfrachtet, wo wir umgehend auf die Bühne zitiert werden. Niemand da. Ich habe auch nichts anderes erwartet, denn um diese Zeit kommt nie und nirgendwo jemand zu einem Konzert einer unbekannten Band, auch nicht, wenn da live ein Bild gemalt wird, auch nicht wenn es gratis ist, auch nicht, wenn sich der Bassist auf der Bühne ausziehen würde. Höchstens, wenn man Flyer verteilt an gelangweilte Touristinnen, die dann neben den Angestellten das einzige Publikum darstellen. Wir spielen eine schöne Kollektion der greatest Peter Piek Hits und bei jedem Song, der einen Part hat, bei dem Peter nicht mitspielen muss, springt er von der Bühne, mischt Farben an und pinselt wild auf seine Leinwand ein. Bei jedem Song eine andere Farbe, dann kommt er wieder auf die Bühne und spielt weiter. Die Malsequenzen gehen jeweils bis zu fünf Minuten und ich darf unter Beweis stellen, dass ich so lange den gleichen Rhythmus durchziehen kann ohne Variation, so wie Peter es mir vor der Show eingeschärft hat. Beim Underwater Death Song spielt Lucka mit und da es der letzte Song ist, ist mir Peters Befehl schnurz und ich improvisiere ein bisschen und versuche Peters Pinselstriche zu betonen, was dann dazu führt, dass Lucka mir hinterher erzählt, ich habe ihn da fast aus der Bahn geworfen, weil ich die 1 ganz schön versteckt habe. Was ich jetzt sage, wollte ich eigentlich zugunsten Luckas gutem Ruf nicht erwähnen, doch wer die ganze Zeit frech zu mir ist, hat nichts anderes verdient: Die 1 wird in dem Teil des Songs gar nie gespielt. Da kannst du lange suchen. Ha. Jetzt hab ich dich aber schön blossgestellt, he? Stephan?
Die fünf offiziellen Zuschauerinnen verstehen offenbar nicht viel von dieser Malerei- und Musikperformance, schauen aber trotzdem gespannt zu, denn so etwas haben sie in ihrem zarten Alter bestimmt noch nicht gesehen und werden auch nicht so schnell wieder die Gelegenheit dazu haben. Die Leute vom Club sind begeistert und meinen nach dem Konzert, dass man das, was heute anscheinend nur ein Experiment war, unbedingt wiederholen muss und zwar an einem Freitag, da hier Konzerte immer Freitags und nie Samstags stattfinden. Ein weiterer Grund für die leere vor unserer Bühne also. Aber es lässt mich im Augenblick völlig kalt, dass da niemand war. Die Gage haben wir auf sicher und auch sonst war alles perfekt, so auch unsere Performance. Für einen Monat nicht zusammen gespielt (Ausser „while the sun“ im Admiralspalast) und ohne zu proben auf die Bühne, haben wir nämlich astrein gespielt. Und jetzt müssen wir innert 15 Minuten die Bühne räumen. Die Dubstep DJs, die heute Abend noch auflegen sind schon ganz nervös und meinen, in einer Viertelstunde fange ihre Party an und da seien noch keine Plattenteller auf der Bühne. Ich frage nur: „Welche Party? Sind ja keine Leute da.“ Aber alsjeblieft, der Kram ist natürlich pünktlich geräumt und die party kann serviert werden. Danach haben wir auch noch Teil an der Party, bei der wir das Durchschnittsalter massiv hochziehen. Hochgezogen haben wir vorher auch nochschnell das Bild, das Peter gemalt hat, bevor die Teenies gegen Abgabe von 5 Euro reintrampeln durften. Es hängt jetzt über den Köpfen der Party und trocknet da, während die Köpfe es bestimmt für eine psychodelische Deko halten. Wir kucken uns die Sache noch ein Weilchen an, ohne der Aufforderung der immer noch begeisterten Clubmitarbeiter, uns so richtig vollaufen zu lassen zu folgen. Wir trinken 3 Bierdje, was ja eigentlich nur ein Bier ist, wenn man sich mit Holländischen Massen etwas auskennt und haben davon am nächsten Tag einen Kopf als wären es 3 Mass gewesen.
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