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Apr 12

Tourtagebuch Italientour 2012 Peter Piek Minirock feat. Christian Schönholzer (aus der Sicht eines Schweizer Trommlers)

Dienstag 03.April bis Donnerstag 05.April 2012

Es ist Dienstagabend 22 Uhr in Bern (Regen) und der ostdeutsche 196 cm Mann steht mit dem Dreizehnstundenblick unter meiner Haustür. Im Gepäck tausend Lieder, die ich noch nicht kenne und einen schön herangezüchteten Hunger. Er vernichtet verdienterweise auf der Stelle tellerweise Rösti.

Es ist Mittwochnachmittag und in meinem Übungslokal geht es zu und her wie in einem Ameisenberg. Getrieben von der Vorfreude alles anders zu machen als bisher, basteln wir uns ein Repertoire und Instrumentarium zusammen, das nicht nur Italien noch nie zu sehen bekommen hat. Langsam kriege ich einen leisen Schimmer von den Liedern, die wir ab morgen südlich der Alpen von uns geben werden.

Es ist Donnerstagmorgen, vor dem Frühstück. Eilig packe ich alles zusammen, erledige die letzten liegengebliebenen Dinge und versuche mich an die Lieder zu erinnern. Keine Chance.
Nach dem Frühstück fahren wir los. Der grosse St. Bernhard lässt uns ungehindert gegen 25 Euro nach Italien passieren und Aosta spendiert uns Espresso, Pizza, und Cappuccini. Dann finden wir in Turin auf Anhieb einen Parkplatz. Peter und seine Freundin gehen sich umschauen und den Club suchen, während ich derweil den Wagen bewache. Nach dem ich gerade einen Repetitionskurs in Italian Driving Style hatte, kann ich ein paar ruhige Minuten gebrauchen. Welcome to the Jungle! Als Peter mit neuen Schuhen zurück ist, bin ich bereits Besitzer eines nagelneuen Oldschool Koffers, den ich einem Gebrauchtwarenhändler auf der anderen Strassenseite für schlappe 5 Euro abgekauft habe. Wir gehen zum Restaurant, in dem wir heute spielen: Casa Mad. Ein buntes kleines Lokal mit einer ausgeflippten Chefin. Wir haben einen Verstärker dabei, bei dessen Anblick sie grosse Augen macht; nicht zu laut bitte, die Nachbarn! Zum ersten Mal in meinem Leben als Schlagzeuger kann ich in so einem Fall ohne jegliche Vorbehalte und ohne schlechtes Gewissen beruhigende Worte aussprechen. Wir bauen unser sehr spezielles Setup auf (ein paar meiner Schüler/innen wissen wovon ich spreche) und proben ein wenig. Vorhin, als ich da alleine an der Strassenecke rumstand und auf den Van und meinen neuen Koffer aufpasste, bin ich mal meine Notizen durchgegangen und habe mit Erstaunen festgestellt, dass ich mich an die Songs erinnern kann. Darum bin ich jetzt auch nicht so überrascht, dass ich sie auch noch spielen kann. Heute haben wir auch noch eine Gastmusikerin: Jolanda, die uns die ganze Tour organisiert hat, spielt bei zwei Songs mit und ich muss bei einem Song Gitarre spielen. Als alles klappt und klingt (meine nie vorher gesehene Pauke und ich sind noch nicht so ein eingespieltes Team), gibt es so spezielles Essen wie der Laden selbst.
Das Konzert fängt gleich danach an. Die Band wird den Gästen mit einem langen italienischen Gerede vorgestellt. Zuerst spielt Peter ein Lied alleine und beim zweiten Lied stimme ich erst mit Gesang ein. Bei Beginn der ersten Strophe lasse ich die Katze aus dem Sack und spiele mein unglaubliches Schlagding. Der erst kaum wahrgenommene, kleine Haufen aus Proberaumgerümpel, zieht für ein paar Momente alle Blicke auf sich, denn es klingt definitiv anders, als man vermuten könnte. Sofort gewöhnt sich das Publikum an den steten, wenn nicht fetten Beat und klatscht bereits beim zweiten Song munter im Takt. Wenn das nicht ein bisschen schnell geht? Natürlich können wir diese Publikumsaufmerksamkeit nicht ganz permanent aufrecht erhalten. Sie wenden sich immer wider ihren Gesprächen zu, was in man den Leuten in einem Restaurant ja ach nicht voll verübeln kann. Wir reissen das Ruder aber immer wieder herum, da uns unsere spezielle Aufmachung auch viel Raum dafür gibt. im Grossen und Ganzen können wir mit diesem ersten Konzert zufrieden sein. Die Setliste ist definitiv verbesserungsfähig. Aber auf der einstündigen Fahrt nach dem Konzert zu Yvonnes Haus in Mondovi stellen Peter und ich uns die Frage: Was passiert eigentlich, wenn wir in ein paar Tagen die Songs dann auch richtig gut spielen können?

Freitag, 06.April 2012

Das Haus von Jolanda ist ein Traum. Neben dem kleinen Städtchen Mondovi, zwischen blühenden Kirschbäumen, Apfelhainen und saftiger Wiesen liegt das Grundstück mit einem schmucken Landhaus, das jeder sofort gerne sein Eigen nennen möchte. Hier dürfen wir für die nächsten Tage unser Lager aufschlagen. Das fühlt sich mehr nach Ferien als nach Tour an, was sich natürlich für einen wie mich, der ohne jegliche Erwartungen an Komfort auf diese Tour gegangen ist als freudige Überraschung erweist. Wir können hier auf der Veranda proben und uns in Ruhe noch ein wenig um die Organisation der Konzerte kümmern und natürlich herumhängen.

Heute Abend spielen wir in Saluzzo, das etwa eine halbe Stunde bis 45 Minuten von hier entfernt ist, je nach Fahrstil (Je weniger Zeit man für die Fahrt benötigt, desto mehr CD Hüllen fliegen einem vom Fach über dem Beifahrersitz ins Gesicht). Der Club ist ein richtiges Konzertlokal mit schöner Bühne, grossen Lautsprechern, tollem Mischpult, gut sortierter Bar. Der Tontechniker versteht sein Handwerk und die Band, die mit uns heute den Abend teilt, ist schon fast fertig mit dem Soundcheck. Allerdings scheint es, als fahren die Italiener so schnell, um länger Soundcheck machen zu können. Das stört uns aber nicht weiter, denn was die da machen lässt sich hören. Als wir dann dran sind, koppeln wir Peters Laptop zwischen meine sehr ausgefallene Pauke in Form eines Gitarrenkoffers und die Anlage, sodass die heute Nachmittag ausgetüftelte Mixvoreinstellung zum Einsatz kommt. Der Tontechniker, ist erst etwas verwirrt, aber als wir uns dann nach Verhandlung mit Händen und Füssen über die Art und Weise, wie dieses kuriose Schlagzeug verkabelt werden muss einig sind, staunen alle Anwesenden nicht schlecht. Der Drumsound erklingt das erste Mal über eine richtig dicke Verstärkeranlage und bewirkt breites Grinsen auf den Gesichtern aller Beteiligten. Auch Peters billiger kleiner Gitarrenverstärker kommt hier so richtig zur Geltung. Der Tontechniker gibt sich echt Mühe und macht aus uns beiden etwas, das mindestens nach vier Mann klingt. So gehen wir dann alle mit gutem Gewissen zum Bocciofile um die Ecke wo es nach italienischer Manier Essen gibt bis genug. Eine halbe Stunde vor unserem Auftritt ist Peter erledigt. Er hat es nach all den Konzerten in Italien immer noch nicht im Griff, wann genug wirklich ist. Besser als umgekehrt.
Zurück im Club ist zwar noch nicht wirklich viel los, aber als wir auf die Bühne gehen, rottet sich doch eine stattliche Anzahl Zuhörer nichtsahnend vor der Bühne zusammen. Der erste Song findet wieder ohne mein mitwirken statt und ab Einsatz Schlaggerümpel im zweiten Song ist klar, wer im Publikum selber in einer Band spielt: Alle die, die jetzt erstaunt die Hälse strecken und die Bühne nach der 26 Zoll Pauke absuchen. Der Gig läuft ganz gut, bis darauf, dass wir uns aus unerklärlichen Gründen nicht ganz an die abgeänderte Setliste halten. Mich wirft das bei einem Song ziemlich aus dem Konzept, gefolgt von einem Blackout spiele irgend etwas, in der Hoffnung, dass Peter der einzige ist, der es merkt. Nach dem Konzert gibt es Komplimente von allen Seiten und wir hören uns die andere Band an. Unser quirliges Konzept scheint aufzugehen. Es ist ein ganz guter Abend gewesen, wir packen und ab nach Hause. Paolo fährt den Wagen und Peter versucht die CDs im Zaum zu halten, wozu er mindestens eine Hand zu wenig hat.

Samstag, 07.April 2012

Gegen Abend machen wir uns auf den Weg ins Städtchen Mondovi. Da sind wir um 18 Uhr in einer Gallerie für ein Showcase angesagt. Paolo hat uns eigentlich gesagt, wir dürfen da nicht mit Schlagzeug spielen. Darauf hin haben Peter und ich am Nachmittag das leiseste Set der Welt eingeübt. Ich verwende nur noch meine Hände, denn wenn es schön still ist, kann man auch das leiseste Geräusch zum Musizieren verwenden. Damit haben wir dann schlussendlich Paolo überzeugt und er zweifelt nun schon daran, ob seine Landsleute überhaupt so still sein können, damit sie uns hören können.
In der Galerie stellen wir unsere paar Sachen auf eine bühnenähnliche Erhebung und bis zu unseren Füssen werden Bänke für das Publikum bereitgestellt. Genau um 18 Uhr beginnt die Türglocke der Galerie sehr fleissig zu bimmeln und der Raum füllt sich schnell mit Gästen. Wir beginnen wieder mit demselben Song wie die Konzerte zuvor. Diesmal spiele ich mit, indem ich eigentlich nur durch Händereiben einen Shaker imitiere. Es klingt unglaublich! Wir spielen etwas über eine halbe Stunde und geniessen eine selten erlebte Publikumsaufmerksamkeit. In leisen Passagen würde man eine zu Boden fallende Stecknadel hören und an interaktiven stellen wird kräftig mitgesungen. Peter muss des öfteren während dem Konzert lachen, so dass er fast den Faden verliert, da mir immer wieder irgendwelche herumstehende Gegenstände spontan in die Finger fallen, mit oder auf denen ich auch noch spiele (z.B. eine Holzkiste, die normalerweise zum Präsentieren von Kunstobjekten dient, oder ein Platt Papier). Eine sehr spannende, für uns neue Art der Improvisation. Nach dem Konzert beantwortet Peter Fragen aus dem Publikum zu seiner Kunst und die Angelegenheit erweist sich schlussendlich als voller Erfolg. Alle kaufen CDs und T Shirts, schauen Peters runde Bilder an und überschütten uns mit Complimente Bravo Bravo! Wir haben mit gar nichts gerechnet und es wurde ein voller Erfolg.
Mit einer tollen Erfahrung mehr im Gepäck fahren wir nach Margarita, wo unser zweites Konzert heute in einem Club Namens Condorito stattfindet. Es ist eigentlich ein Wohnhaus, das so ein wenig loftmässig wirkt und zu einem bunten Kulturlokal umgebaut wurde. Der Betreiber hat heute extra für uns nach einem Jahr geschlossen wieder aufgemacht und heisst uns auf eine sehr entspannte Art und Weise willkommen. Da es schon spät ist, fangen wir sofort mit dem Aufbau an. Irgendwie will uns der Sound nicht wirklich gut gelingen, da der Raum akustische Tücken hat und wir vielleicht auch zu viel für unsere Verhältnisse rausholen wollen. Was wir in dem ganzen Aufruhr fast vergessen haben ist, dass seit dem Mittagessen viel Zeit und ein Konzert vergangen sind und uns jetzt auch der Hunger zu schaffen macht. Wir reissen uns aber beide zusammen (wer mich kennt, weiss ja wie ein hungriger Schönholzer so ist) und kriegen es auf den letzten Drücker doch noch gebacken. Und schon stehen Risotto, Gnocchi, Wein und Wasser auf dem Tisch und die ersten Gäste trudeln ein. Leider kommen nicht so viele Leute. Es seien viele in den Ferien heisst es. Dazu ist draussen auch ein heftiger Regen am Werk. Doch die Anwesenden sind sehr interessiert. Zwei Tontechniker und Filmmusikproduzenten sind total angetan von meiner Schiessbude, die ich wiederum nur mit den Fingern bediene. Sämtliche Tricks, die mir in der Galerie vorhin eingefallen sind, verwende ich hier wieder und es kommen neue dazu, z.B. mit einem halbvollen Weinglas seitlich an das Becken zu schlagen oder den massiven Holzstuhl, auf dem ich Sitze mit der Handfläche oder den Fingerknöcheln zu bearbeiten. Der eine Tontechniker filmt das halbe Konzert mit seinem Handy und es hat sogar Leute hier, die gestern schon am Konzert waren. Für die wird es wahrscheinlich spannend zu sehen sein, dass wir dieselben Songs wie Gestern präsentieren, nur in einem total anderen Kleid. Und als Eröffnung des Konzertes geben Jolanda und Paolo auch noch eine Kostprobe ihrer Musik, welche mich sehr beeindruckt. Nach unserem Konzert, bei dem ich Peter leider wieder etwas zu fest zum Lachen gebracht habe, entert noch der Filmmusikproduzent die Bühne und zeigt der Welt, dass auch ein Elektropiano mit einem muffig klingenden Verstärker so bedient werden kann, dass es wunderbar klingt. Beim Abbau wollen die Herren Tontechniker natürlich noch das Geheimnis meines bumbastisch klingenden Gitarrenkoffers erfahren. Die Platzierung des Mikrofons zeige ich ihnen, die Einstellung auf dem Computer natürlich nicht.

Sonntag 08. April 2012

Sonntag ist Ruhetag? Gibt’s nicht bei Peter. Da wir heute kein Konzert haben, nutzt Peter die Zeit um einen Song von Jolanda aufzunehmen, mit mir am Schlagzeug und seinen Ideen als Produzent. Peter ist vor allem Angetan von der Akustik des Treppenaufgangs: Ein natürlicher Hall, den man selten findet. Damit es bei der ganzen Aktion nicht an der Aufnahmequalität mangelt, hat uns der Meisterpianist und Filmmusikproduzent von gestern ein schönes Neumann Mikrofon ausgeliehen. Peter macht sich ans Werk und nimmt erst Jolanda, dann mich und dann Paolo in die Mangel und ringt uns unter Eingabe seiner Ideen Klänge, Töne und Rhythmen ab, die auf den ersten Blick wohl nur er versteht. Er sitzt da in Jolandas Musikzimmer hinter dem Pult am Rechner und sieht aus wie der Steuerbeamte Piek, mit dem „kurz-vor-Buchhaltungsabschluss-Grinsen“. Aber was er da in sechs Stunden zusammenschustert, klingt wirklich gut. Die Stimmung des Refrains wird mir jedenfalls noch Tage wie ein verspäteter, verschneiter Windstoss in den Ohren herumgeistern.

Montag 09. April 2012

Heute ist Reisetag und wieder ist kein Konzert angesagt. Doch was nicht ist, kann noch werden. Unsere gegenwärtige Art zu spielen, wir nennen es mittlerweile Mini Rock, eröffnet Möglichkeiten, die eine 100 Dezibel Rockkapelle niemals hat, ausser sie geht massive Kompromisse ein (Schlagzeuger in irgend einer Bar parken und nie wieder abholen): Wir können spontane Konzerte in Wohnzimmern geben. Die organisieren wir uns über die Internetplattform Couchsurfing, über die wir auch Übernachtungen für konzertlose Tage organisieren. Zwei Fliegen mit einer Klatsche. Und für jemanden, der seine Couch Gästen zur Verfügung stellt, ist es sicher auch etwas nicht gerade alltägliches, wenn die Gäste zum Dank ein Privatkonzert für Gastgeber und deren Freunde geben. Nun ist es aber vielleicht etwas angsteinflössend, wenn sich diese potentiellen Gastgeber Peters Aufnahmen im Internet anhören, bei denen bei allem, was nach mehr als Peter und seiner Gitarre alleine klingt, ein lautes Schlagzeug mithämmert. Deswegen beschliessen wir, in Jolandas Wohnzimmer einen Song auf Video aufzunehmen und zu Demozwecken Online zu stellen. Während Peter noch Internetkram erledigt, baue ich schon mal das Filmset auf: Schlagzeug vor den Kamin, Fenster mit schwarzem Tuch abdecken, Lampe richten, optimale Position für die Kamera meines Handys finden. Und los geht’s. Eigentlich ist der erste Versuch ganz gut, doch die Gitarre ist zu laut! Wir machen noch einmal eine Aufnahme mit einem dünneren Plektron und als dann Peter auch endlich den Text der 2. Strophe wieder weiss, ist die Sache im Kasten.
Nach dem Mittagessen verabschieden wir uns, dankend und etwas schweren Herzens von Paolo und Jolanda. Auf dem Weg nach Florenz schütten wir Unmengen von Euros in Zapfsäulen und Mautautomaten und kommen nach einem etwas anstrengenden Slalom um Hunderte von Wohnmobilen auf der Autobahn in Florenz an. Wir parken den Wagen direkt vor dem Haus, in dem wir heute übernachten können und die beiden türkischen Studentinnen, deren Wohnzimmer uns heute als Konzertlokal und Schlafzimmer dient, heissen uns herzlich willkommen. Sie schleppen uns zu ihrem Lieblingslokal, wo wir der Speisekarte alles abringen können, das uns gerade fehlt. Nach einem Umweg durch die Altstadt gehen wir zurück in ihre Bude und starten unser Konzert. Da die beiden leider noch nicht so viele Leute in Florenz kennen, kommt halt nur ein zusätzlicher Gast zum Konzert. Er heisst Mehmed. Uns stört es nicht, dass die Differenz zwischen Anzahl Gästen und Anzahl Musiker nur 1 ist. Wir spielen eine halbe Stunde in Zimmerlautstärke. Mein spontan ausgewähltes Instrument von heute: eine Plastiktüte einer Kebabbude. Plötzlich spielen wir einen Song, den ich noch nie vorher gehört habe, dessen Refrain Chinesisch ist. Das kleine Konzert ist beeindruckend für alle beteiligten. Nach dem Konzert spielen wir noch ein selbstgebasteltes Kartenspiel von Peter, dessen Regeln wir erst neu erfinden müssen, weil Peter sie vergessen hat.

Dienstag 10. April 2012

Der Tag beginnt mit der Suche nach einem Supermarkt. Nach einer Dreiviertelstunde kehre ich mit Frühstück zurück in die Studentenwohnung, wo man mich schon verschollen glaubte. Das schöne Wetter nutzen Peter und ich für den Dreh eines Videos am Flussufer, mit Florenz als Kulisse. Wir spielen den Song „I sleep beneath the golden hill“. Was man im Video nicht sieht: Wenig weiter drüben liegt ein Obdachloser im Tiefschlaf. Nach einigen Gelati, Espressos und Pizzas machen wir uns auf die Suchen nach dem Club, in dem wir heute spielen. Vorher fahren wir kurz da vorbei, wo wir das in fast zwei Wochen spielen, um uns zu überzeugen, ob das Konzert auch wirklich stattfinden wird, was bis jetzt nicht so wirklich sicher schien. Es wird und wir lassen noch ein paar Plakate für die Werbung da. Dann kurven wir ewig in der Gegend herum, da unser Navi scheinbar nicht weiss, in welche Richtungen die Einbahnstrassen hier gehen. Endlich beim Club angekommen, hungrig und durstig, wie nach einer Tagesreise, werden wir mit einem Imbiss und fruchtigem Wein begrüsst. Wir stellen unsere Sachen auf und machen kurz Soundcheck. Es hat ein sehr schön klingendes Klavier da, das wir natürlich für unsere Zwecke einsetzen. Allerdings muss dazu noch etwas die Inneneinrichtung abgeändert werden. Danach warten wir auf Gäste. Das Konzert sollte um 22 Uhr beginnen, doch bis 22.30 Uhr ist eigentlich niemand da. Gegen 23 Uhr tauchen dann plötzlich aus allen Richtungen Leute auf und wir beginnen zu spielen. Leider ist das hier eine Bar, in der man die Band zwar überall hört, aber eigentlich nur sieht, wenn man genau vor ihr steht oder sitzt. Wir spielen also etwa für 15 aufmerksame Gemüter und für mindestens doppelt so viele, ignorante Hipsters. Bei den Leuten, die aufpassen, kommt das Konzert ganz gut an und bei der Mitsingnummer gelingt es mir sogar, die Leute draussen vor der Bar zum Mitsingen zu bewegen. Das Konzert endet dann in der üblichen Tonträgerverkaufsorgie und wir weisen den Clubbesitzer an, jetzt, wie vor dem Konzert besprochen, mit dem Hut rumzugehen und unsere „Gage“ einzutreiben. Er hat das aber scheinbar anders verstanden (Lerne: Nicht jeder, der dir zuhört, versteht auch was du sagst) und am Ende muss ich selbst wie ein Bettler die Runde machen und bringe es auf sage und schreibe 1 Euro. Bravo! Da taucht ein klatschnasser Velofahrer auf, der sich als Lorenzo vorstellt und uns heute Abend beherbergt. Wir sollen ihm einfach mit dem Auto folgen. Draussen giesst es wie aus Kübeln und wir haben echt Mühe mit ihm mitzuhalten. Enge Gassen, Brücken, Kreuzungen, Einbahnstrassen, Ampeln. Entweder man hat ein Navi, das einen in den Wahnsinn treibt oder einen Radfahrer, der ein Rennen mit dem Regen fährt. Endlich am Ziel stehen wir vor der steilsten Treppe der Welt in den 5. Stock, gleich neben dem Rathaus von Florenz.

Mittwoch 11.April 2012

Früh am Morgen jagen wir Peters Fiat auf die Strasse. Wir tanken bei der erst besten Tanke für unsägliche 1.95. Dafür werden wir uns das nächste Mal über 1.84 tierisch freuen. Es regnet immer noch. Wir haben uns vorgenommen, nicht über die Autobahn nach Rom zu fahren, denn die Mautgebühr können wir uns sparen, Zeit haben wir genug und die Landschaft hat so viel zu bieten. Wir machen Halte in Sienna, wo wir den Dom bewundern, dann in einem fast unheimlichen Bergstädtchen, dessen Name ich nicht mehr weiss, weiter an einer Strassenkreuzung bei Platzregen, an der es ein Restaurant hat, in dem alle Videoclips von Maroon 5 laufen (wie hält man das aus?) und schliesslich erreichen wir einen wunderbaren See, an dessen Ufer auf einer Anhöhe wo es einen Soldatenfriedhof des 2. Weltkriegs hat. Das Wetter ist mittlerweile prächtig und der Ort ist traumhaft. Hier filmen wir den Song „painting a line“ und versuchen noch den zweiten etwas gewagteren zu „cut out the dying stuff“ aufzunehmen, was dann schlussendlich einfach eine Probe unter der Sonne war. Als wir weiterfahren, kommen wir an einem Restaurant vorbei, dessen Lage nicht schöner sein könnte. Blick auf See, Meer und Berge. Wo kriegt man das? Wir glauben es ist geschlossen, da es um 18 Uhr keine Autos auf dem Parkplatz hat. Doch es ist offen, die ganze Bude nur für uns! Espresso… Leider bleibt nicht mehr viel Zeit das zu geniessen. Um 20 Uhr haben wir uns in Rom verabredet. In Rom spielten wir vor Jahren mal ein Konzert. Hätten damals nicht ein paar Römermädels den Geburtstag ihrer Freundin genau in dem Lokal gefeiert, in dem wir spielten, hätten wir kein Publikum gehabt. Doch so hat der Abend damals doch noch die Kurve gekriegt und Peters Emailliste sei Dank ist der Kontakt nicht abgebrochen. Heute sind wir zu Gast in der WG von Margherita, die sich schon zusammen mit ihren Mitbewohnerinnen auf ein Wohnzimmerkonzert freut. Wir werden fürstlich bekocht und lösen anschliessend unsere Performance ein. Eine lustige Unterhaltung auf einer spektakulären Dachterrasse, irgendwo in Rom rundet den langen Tag ab. Es gibt viele Arten, als Musiker zu touren. Die Art wie wir es machen, könnte wohl eher unkonventionell erscheinen. Ganz sicher nicht die Art, wie es sich die Leute vorstellen, wenn ich erzähle, dass ich auf Tour gehe. Und es ist auch nicht die einzige Art, die ich bis anhin kennengelernt habe. Manche mögen denken, das sei total mühsam so und eine Tour ohne Nightliner, Tourmanager und Hotel ist eine Lumpenangelegenheit. Aber wenn ich nach so einem Tag todmüde im Bett liege und trotzdem nicht schlafen kann, weil sich in meinem Bewusstsein die Eindrücke des Tages um meine Aufmerksamkeit prügeln, möchte ich mich auf keinen Fall über dieses Erlebnis beklagen.

Donnerstag, 12 April 2012

Von Rom nach Caserta ist es etwa 200 Kilometer und wir haben den ganzen Tag Zeit. Caserta liegt in der Nähe von Napoli. Auf uns wartet ein entspannter Tag und schönes Wetter. Es dauert nicht lange und wir finden uns am Meer wieder, an einem Touristenstrand, lange bevor die Saison anfängt. Pasta und Espresso auf einer Terrasse, salzige Luft strömt uns ins Gesicht und wir fragen uns gerade, ob wir eigentlich im Urlaub sind oder auf Tour. Etwas weiter die Küste hinunter, installiere ich meine Touristenshorts und wir tollen am Strand herum wie Kinder. Beachvolleyball mit einer Petflasche und eine Panade aus Sonnencreme und Sand auf der Haut. Auf der Weiterfahrt verwickeln wir uns in angeregte Diskussionen und plötzlich meint Peter, er habe ein gutes Gefühl wegen heute Abend im Bauch. Als wir das Restaurant Mallé endlich gefunden haben, begrüsst uns die Chefin herzhaft. Maria, die kleine, fröhliche Bilderbuchsüditalienerin liest uns von der ersten Minute jeden Wunsch von den Augen ab. Wir sind in einem Lokal gelandet, in dem alles, von der Einrichtung über die Karte bis zum Personal von bestem Geschmack zeugt. In meiner Touristenhose und dem ganzen Sand hinter den Ohren komme ich mir irgendwie gerade etwas doof vor und gehe mal eben was Unbequemeres anziehen. Maria unterhält sich sehr humorvoll mit uns und lässt uns eine Delikatesse an der anderen auftischen. Als ich da so sitze und mir vor Augen halte, wie gut es uns gerade geht, kommen mir beinahe die Tränen. Beim 2. Hauptgang kapitulieren unsere Mägen. Das Essen war so lecker, irgendetwas davon stehen zu lassen hätten wir nicht übers Herz gebracht. Wir gehen unsere Sachen aufstellen und versuchen dann noch etwas zu verdauen. Unmöglich, viel zu viel Arbeit für den Magen. Maria entschuldigt sich immer wieder dafür, dass sie uns mit dem vielen Essen so müde gemacht hat, doch als das Konzert anfängt, gelingt es mir, den Magen etwas auszublenden. Das Publikum erweist sich hier etwas als zurückhaltend, als ob die Leute auch so viel gegessen hätten wie wir. Leider kommen auch Peters witzig gemeinten Wortspiele über Caserta (Casertadeck, Casertarecorder, Mixcaserta) nicht so an. Entweder er hat genuschelt oder die sind alle schon mit Mp3 Playern aufgewachsen (was angesichts des Durchschnittsalters nicht möglich ist). Am Ende kriegen wir sie dann aber doch, sie lassen sich zum Mitsingen bewegen, wobei ich feststellen muss, dass in Caserta die musikalische Grundausbildung etwas zu wünschen lässt. Ok..nennen wir es moderne Mehrstimmigkeit. Nach dem Konzert ist Maria ganz aus dem Häuschen, weil wir wohl ihre Erwartungen übertroffen haben. Nach wie vor erfüllt sie uns jeden Wunsch. Ich sage dann mal zum Spass, dass wir jetzt gerne noch irgendwo tanzen gehen würden und sie greift sofort zum Telefon um das zu organisieren. Für Peter bestelle ich einen Mojito an der Bar und der Keeper entschuldigt sich mehrfach dafür, dass er nicht die passende Minze im Haus hat aber er würde es mit etwas Improvisieren hinkriegen. Entschuldigung, wie bitte?

Freitag 13. April 2012

Die Beherbergung in Marias Wohnung liess keine Wünsche offen, doch Peter hat sich eine Nackenstarre geholt, die ihn noch den ganzen Tag quälen wird. Also fahre ich die 500 Kilometer in den Süden nach Gioiosa di Marina. Eindrückliche Bilder erwarten uns bei der Ankunft an diesem Ort, der auf den ersten Blick vergessen scheint: Brücken die nie fertiggestellt wurden, angefangene Tunnel, deren Eingänge schon wieder mit Erde aufgefüllt sind, überall angefangene Häuser, kein Mensch auf der Strasse, abgeschaltete Strassenbeleuchtung, Häuser, die verlassen aussehen, aus denen aber Musik zu hören ist, düstere Dämmerung, tief in den Hügeln hängende Regenwolken, Nebelschwaden, durch die das Rauschen der brechenden Wellen am Strand dringt. Blue Dahlia heisst der Laden, der heute Peter Piek auf dem Programm hat. Das Plakat macht den Anschein, als hätte sich jemand Mühe gegeben. Nur versteht hier eigentlich niemand irgendetwas ausser Italienisch. Für das Wichtigste reichen die paar Italienischen Wörter, die wir können und die paar Englischen, die sie können. Aber die grosse Konversation wird da sicher nicht aufkommen. Erst müssen wir mal eine Weile warten, bis ein gewisser Ruggero auftaucht, der Englisch kann und für den Sound und unsere Verpflegung sorgen wird. Der Soundcheck erleichtert uns von unserer anfänglichen Skepsis. Alles klingt angenehm und Ruggero und die Angestellten freuen sich sehr über alles, was wir von uns geben. Dann gibt es leckeres Essen mit Zutaten aus Ruggeros Garten. Natürlich ist es eine harte Herausforderung, den gestrigen Abend zu überbieten und wir erwarten das auch nicht aber keiner hätte gedacht, dass der Höhepunkt des Abends mit zum Zeitpunkt des letzten Gangs erreicht ist. Danach müssen wir erst mal wieder eine Weile warten. Diese Weile nutzt Ruggero, um sich mal ordentlich einen an den Kessel zu saufen. Als dann gegen 23.30 Uhr genug Leute da sind um die Katze aus dem Sack zu lassen, bittet er uns auf die Bühne und erzählt dem Publikum gefühlte zehn Minuten irgendetwas über uns, das scheinbar lustig ist (muss irgendetwas mit Peters Nackenstarre zu tun haben). Dann beginnen wir zu spielen und es geht eigentlich alles schief. Allerdings nicht unseretwegen. Ruggero ist arg betrunken, muss gleichzeitig die Bar schmeissen und den Sound machen. Zu viel für den alten Mann. Andauernd sind Mischpultkanäle abgeschaltet, man hört die Hälfte nicht, man muss Ruggero rufen damit er es überhaupt bemerkt. Einmal muss ich sogar zur Bar gehen um ihn zu bitten, die Mikros wieder einzuschalten. Hätte er nicht einfach alles so eingestellt lassen können wie es beim Soundcheck war? Dann hätten wir nämlich zumindest versuchen können mit dem tauben Publikum einen Dialog aufzubauen, und darin wären wir mittlerweile nicht mal mehr so schlecht. Irgendwann vergeht uns die Lust und wir setzen zum letzten Song an, um dann die Bühne zu verlassen. Dummerweise bemerken das die Leute und fordern uns zur Zugabe auf. Was nun? Wir haben keine Lust, einen weiteren wohlgezüchteten Song zu ruinieren. Peter sagt an, dass wir nun einen neuen Song spielen. Wir jammen irgendein Riff und schreien zwischendurch abwechslungsweise „Whoar!“ ins Mikrofon. Als wir mit diesem Lärm fertig sind kriegen wir den lautesten Applaus des gesamten Konzerts und verstehen die Welt nicht mehr. Da kommen zwei Typen auf die Bühne die mitjammen wollen. Wir finden das eigentlich eher unnötig aber Ruggero sagt bereits die Internationale Kollaboration an. Wir lassen uns nichts anmerken und machen mit der Fixgage im Hinterkopf mit. Nach drei solchen Nummern geben wir dann den Austritt und ermuntern den DJ zur Wiederaufnahme seiner Arbeit, welche er dann auch bis 4 Uhr morgens durchzieht, mit konstant sinkendem Niveau. So lange dauert es auch, bis wir endlich unsere Gage ausbezahlt bekommen. Alle vorherigen Versuche scheitern an Ruggeros betrunkenem „noooo problem!“ Das lange Warten macht uns fix und fertig und wir hadern damit, einfach von hier abzuhauen und irgendwo am Strand im Auto zu pennen. Schlussendlich obsiegt die Vernunft, wie aus dem Nichts wedelt jemand mit ein paar Euroscheinen um uns zu bezahlen und wir warten bis Betriebsschluss auf eine Angestellte, die uns zu unserem Gästezimmer im nächsten Dorf führt.

Samstag 14. April 2012

Beim Frühstück wird uns ein weiterer wichtiger Trick gezeigt, wie man den Kaffee zubereiten muss, damit er wie in Italien schmeckt. Wir machen uns auf den Weg nach Reggio Calabria. Kein weiter Weg, doch wir müssen um 14.30 zum Soundcheck da sein. Das schaffen wir dann nicht ganz, weil wir zu lange mit der Suche nach einer Panini Bar herumtrödeln. Italienisches Frühstück gibt einfach nichts her für unsere Mägen. Wir kommen dann in der TAG Art Gallery an, wo man uns schon gespannt erwartet. Wir spielen an einer Vernissage eines Künstlers, der einerseits Pinocchio Bilder malt und aus Gegenständen wie Turnschuhen ferngesteuerte Autos bastelt. BOL 123 nennt er sich. Eigentlich wollen wir hier wie in der anderen Galerie in Mondovi ganz akustisch spielen. Doch da tauchen plötzlich zwei Typen auf, die eine verhältnismässig monströse Verstärkeranlage aufbauen. Na dann… Der Soundcheck dauert lange und länger, irgendwie haben die beiden die Anlage noch nicht so im Griff und es wird getüftelt bis 18.30 Uhr. Danach gehen Peter und ich sofort noch eine Pizza in den Bauch stellen. Um 19 Uhr müssen wir wieder da sein und gegen 20 Uhr beginnen wir für die zahlreich erschienenen Besucher zu spielen. Auch hier ist das Publikum eher hart zu knacken. Nach dem gestrigen Abend ist aber rein schon des Publikums offensichtliche Bereitschaft zum Zuhören motivierend genug, dass Peter sämtlichen Charme auspackt und das Publikum schnell gewinnt. Die Setliste, die sich über die letzten Konzerte immer wieder geändert hat, halten wir bis zur Hälfte ein und spielen dann vorwiegend die schnelleren Songs, da das der Wunsch des Publikums zu sein scheint. Da hätten wir uns mit unseren akustischen Schlummernummern ganz schön den falschen Finger verbunden. Es sind auch Leute aus Rom da, die uns erzählen, dass der Club in Rom, in dem wir nächsten Dienstag spielen eine der angesagtesten Adressen derzeit sei. Mit dem heutigen Konzert und dieser Aussicht geht die Kurve definitiv wieder nach oben. Aber erst mal erwartet uns noch ein sehr lustiger Abend mit der ganzen Belegschaft, die am heutigen Event mitgewirkt hat. Leckeres Essen, das Nachtleben in Reggio Calabria und die Mafia gehören dazu.

Sonntag 15. April 2012

Es ist unglaublich schwer in Reggio Callabria eine Imbissbude zu finden, die am Sonntag offen hat. Modegeschäfte haben alle offen, hier wird also gehungert und gut ausgesehen. Dann, doch endlich mit einem Frühstück im Magen, verlassen wir den Ort schweren Herzens. Gerne wären wir noch nach Sizilien gefahren, doch das hätte uns unnötigen Stress und noch mehr Benzin gekostet, da wir am Dienstag in Rom spielen. Wir haben uns über Couchsurfing in Cosenza mit Elli (nicht die Elli, von der Peters gleichnamiger Song handelt)verabredet, um den Montag da, auf halber Strecke nach Rom, zu verbringen und uns mal auszuruhen. Der Plan wäre, einen Berg in dieser Gegend zu besteigen. Auf dem Weg in den Süden hat uns Cosenza von der Autobahn her allerdings einen sehr wüsten Eindruck hinterlassen und wir wissen gerade nicht so recht, ob wir uns freuen sollen. Unterwegs machen wir halt am Meer und werfen alles Mögliche am Strand durch die Gegend. Wenig später, bei Dämmerung, treffen wir in Cosenza ein und stellen fest, dass die Stadt viel mehr zu bieten hat, als man von der Autobahn aus zu Gesicht bekommt. Was uns erwartet, ist wieder mal unerwartet sehr eindrücklich: Wenn man durch die Altstadt geht, ist man überzeugt, dass man im Mittelalter angekommen ist. Steinpflasterstrassen, enge Gassen, uralte Häuser, düstere Mauern, schummrige Strassenbeleuchtung und da es längere Zeit geregnet hat, dringt eine Duftmischung aus nassem Sandstein und Rauch von allem Möglichen, das in Cosenza gerade so verbrennt wird in der Luft. Abends durchstreifen wir die an einem Berg gelegene Altstadt, über der eine Burgruine thront. Natürlich lösen wir auch hier unser Wohnzimmerkonzert ein. Es ist spannend, wie jeder Raum Einfluss auf unsere Musik nimmt, wenn wir total akustisch spielen. Diese 5 Meter hohe Halle von Wohnzimmer macht mit dem Klang unserer Instrumente was sie will. Es klingt, als ob man ein Bild nur unscharf sieht, die Anschläge sind in dem ganzen Raumklang viel schwerer auszumachen, im Bild wäre es schwer die Linien nachzuzeichnen, alles ist verwischt. Danach fordern wir Elli auf, uns auch ein kleines Ständchen zu geben, denn sie studiert Blockflöte! Wir, die Blockflöte bisher nur so als Anfängerinstrument belächelt haben, werden nun eines besseren belehrt.

Montag 16.April 2012

Bis jetzt haben wir uns ja eigentlich nicht über das Wetter beklagt. Nicht mal wenn es regnete. Genau dann hat mir die Landschaft noch fast besser gefallen als bei Postkartenwetter. Eigentlich haben wir grundsätzlich noch nicht wirklich viel zu beklagen gehabt. Und das Auto hat uns auch immer noch niemand leergeräumt. Aber heute ist das Wetter einfach gar nichts wert. Wir wollten ja eigentlich wandern gehen. Aber wenn man rausschaut, sieht man sicher mal keine Berge, sondern nur Wolken und Regentropfen an den Fenstern. Also lassen wir diesen Tag einfach nur verstreichen. Frühstücken bis um 15 Uhr, Tourtagebuch schreiben, Peter werkelt ungezwungen an einem neuen Song herum und Elli kriegt eine Schlagzeuglektion. Zwischendurch müssen wir dann doch raus zum Einkaufen, da wir heute fürstlich dinieren wollen. Der Tag, an dem es wieder mal nichts zu bereuen gibt, neigt sich entspannt seinem Ende.

Dienstag 17.April 2012

Um 11 Uhr brechen wir auf, vor uns 500 Kilometer bis nach Rom. Erst halten wir noch mal beim Supermarkt, in dem ich einige Vorräte für zu Hause beschaffe, während Peter Gesellschaft von 2 hübschen Polizistinnen bekommt, weil wir etwas zu italienisch geparkt haben. Stunden später erreichen wir Rom und fahren vor dem Fanfulla Club vor, wo der Chef bereits auf uns wartet. Er schickt uns mit dem Tontechniker die Strasse hoch bis zur Nummer 101, wo sich das Konzertlokal befindet. Beim Soundcheck sieht alles ganz gut aus, doch als es darum geht, unsere Instrumente auf die Mischpultkanäle zu verteilen wird es etwas eng. Der Techniker erklärt zu den Kanälen von links nach rechts: „these two don’t work, this one works, these two maybe, this one is ok, this one sometimes don’t work and these two are working yet”. Null Problem für uns, dank Peters Rechner können wir schon mal einiges vormischen und kommen mit den ok Kanälen bestens aus. Der Soundcheck ist sehr schnell erledigt und der Techniker freut sich: „More time for eating!“. Wir gehen wieder die Strasse runter ins Haupthaus, wo uns der Chef erst mal eine Führung gibt. Es ist ein alternatives Kulturzentrum, welches einige Freaks beherbergt. Wir warten oben in einem „Plattenladen“ auf unser Essen, wo gerade der „Plattenhändler“ hinter seinem Computer zu monströsem Sound total abgeht, essend natürlich. Beim Essen hat Peter plötzlich eine kleine Kriese, weil sich eine Erkältung anzuschleichen scheint. Seinen Grappa, den man als mindestens 3 fach bezeichnen kann, darf ich beseitigen. Nach dem Essen schlendern wir zurück zu Hausnummer 101. Der Clubchef hatte auf die Frage, wo wir übernachten nur mit „I don’t know, but it’s close“ geantwortet und auf dem Weg zu 101 bleibt unser Blick sehnsüchtig an der Tür eines Bed and Breakfasts hängen. Das wird es wohl eher nicht sein, murmeln wir uns zu. Weil 101 noch geschlossen ist, geht Peter ins Auto und haut sich vor dem Konzert etwas aufs Ohr. Ich will noch mal zurück zum Haupthaus, da begegnet mir der Chef im Auto und reicht mir einen Schlüssel für Zimmer 146 im Bed and Breakfast. Halleluja! Da geh ich mich doch gleich mal frisch machen. Zurück im 101 ist noch gar nichts los. Der Chef meint: „at 10 we open, at 11 you play and at 12 we close“. Um 10 spiele ich mit dem Chef, der Kassirerin, und dem Barkeeper Tischfussball. Ich bin darin sowieso eine Niete und bei diesem Tempo hier mag ich schon gar nicht mit. Gegen 11 ist noch immer nichts los. Um 11 rufe ich Peter und es ist immer noch nichts los. Um viertel nach 11 kommen die ersten Leute und der Chef fragt, ob es für uns OK ist, zu warten bis der Laden voller ist. Na klar, wir sind ja die ganze Nacht da, aber wollte er nicht um 12 schliessen? Um halb 12 tauchen Margherita und ihre Freundinnen auf, die uns letzte Woche beherbergt haben. Fans in einer wildfremden Stadt, ha! Sogar eine Studentin aus Deutschland, die sich derzeit in Rom aufhält, ist wirklich wegen uns da. Und es hat nun wirklich richtig viel Volk in der Bude, das auch ziemlich heiss auf unsere Darbietung zu sein scheint. Egal wie ein Publikum drauf ist, oder drauf zu sein scheint, es ist immer einfacher den Draht zu finden, wenn da schon ein paar Leute sind, die extra wegen dir gekommen sind, deine Songs mitsingen und sich eher vorne als hinten hinstellen. Schliesselich kommt auch der beste Radfahrer mit Rückenwind besser den Berg hoch. Wir gehen gleich mit einer lauten Nummer ins Gefecht und der Funken springt ziemlich bald. Bei der ersten Mitklatschaufforderung bezeichnet jemand aus dem Publikum die Römer als scheu. Finde ich eigentlich nicht, aber ich hänge mich voll in die Publikumsanimation rein und gehe mehrmals von der Bühne, um den Laden etwas direkter aufzumischen. Peter macht auch seine Fortschritte in Italienischer Songankündigung und am Ende lassen sie uns eigentlich gar nicht mehr gehen. Nach dem Konzert lerne ich den Bruder des Sängers einer Bieler Band kennen. Natürlich wird es heute eher spät, denn kaum haben wir zusammengeräumt ist eine Party im Gange, die man eigentlich in der Schweiz höchstens samstags oder zu ausserordentlichen Anlässen antrifft. Klar bleiben wir noch hier. Der Chef kommt dann noch mit der Gage vorbei, legt sogar noch was drauf und lädt uns ein, bitte bald wieder vorbei zu kommen. Schön! Um 12 zumachen? Gegen halb vier schlendern wir hinüber zum Bed and Breakfast. Schade, dass die Tour schon bald zu Ende ist. Wir haben das Gefühl es fängt erst gerade an.

Mittwoch 18. April 2012

Nach mehreren Versuchen, es ihm auszureden, bringt mich Peter dazu, für ihn einen Salat mit Würstchen und dazu einen Cappucchino zu bestellen. Wie befürchtet, endet das in einer bodenlosen Blamage für mich: Der Koch verwirft die Hände über dem Kopf und spricht nicht mehr mit mir. Wie mir Peter später erklärt, muss er daran arbeiten, Vorurteile gegen Deutsche Touristen aufrecht zu erhalten. Dies hat sogar einen einleuchtenden Hintergrund. Den Nachmittag verbringen wir, Casa Bauss sei Dank, mit Wäsche waschen. Peter wird ja noch länger ohne Waschmaschine unterwegs sein als ich und deshalb kommt die Gelegenheit passend (ansonsten wäre dann einfach immer die am wenigsten schmutzige Unterhose zum Einsatz gekommen). Zum Dank kochen wir (bzw. ich) Rösti in Rom. Später, als alle Schlafen gegangen sind, lese ich meinen Tourtagebucheintrag vom 19. bis 22.11.2009 „Peter Piek The Italian Story and Driving Style“, da es mich interessiert, was ich damals über den Tag, an dem wir Margherita kennen gelernt haben geschrieben habe. Nachdem ich da so viele Schreibefehler finde, dass ich mich schämen muss, gehe ich schlafen.

Donnerstag 19.April 2012

Es ist ein weiterer Tag ohne Konzert und wir jagen den Fiat weiter Richtung Norden. Vor einem Kaff namens Tobia gibt es einen See, den wir umwandern wollen. Die Regel ist, wenn immer es irgendwie möglich ist, am Seeufer entlangzugehen. Da ist von Sand in den Schuhen über Dornen in der Haut und unter den Füssen berstende Lavasteinen (=frisch gewaschene Socken wieder nass) alles drin
Irgendwann ist dann das Seeufer nur noch Schilfgebiet, das dicht an Privatgrundstücken aufhört und unsere Rechnung hat den finalen Strich gekriegt. Also brechen wir die Übung ab und gehen zurück zum Auto. In Tobia essen wir die beste Pizza des Jahres, dann gehen wir zu der Couch, auf der wir heute surfen. Sie gehört einer netten Familie, die in einem sehr alten Haus wohnt, fast jeden Tag Couchsurfer beherbergt und viel zu erzählen hat (die Kinder, wie der Vater). Wir helfen noch das Wohnzimmer auszuräumen, da morgen eine Neue Treppe eingebaut wird und gehen dann endlich mal zu einer zivilisierten Zeit schlafen. Kein Wohnzimmerkonzert. Peter ist zu erkältet und die Familie ist müde. Dafür haben sich die Kinder bereits alle Videos von Peter und mir angeschaut und mein Handy nach diesen Interpreten durchforstet (grösstenteils erfolglos, dafür hat die 9 Jährige Bianca Primus entdeckt, was schon fast unter Entwicklungshilfe zu verbuchen ist)

Freitag 20. April 2012

Die Letzte Etappe für mich auf dieser Tour beginnt um 11 Uhr im Regen. Auf Empfehlung unseres Gastgebers von wollen wir uns noch eine heisse Quelle ansehen, stellen aber fest, dass man auch in Italien über jedes Naturwunder ein Hotel oder einen Erlebnispark gebaut hat. So fahren wir gemütlich über Land, mehr oder weniger den gleichen Weg, den wir gekommen sind nach Florenz zurück. Ich finde das irgendwie nicht so toll, obwohl es eine der schönsten Strecken ist, die ich in meinem Leben je gefahren bin. Auf dem Weg nach Süden war alles mit einer gewissen Vorfreude und Spannung angestrichen. Ich freute mich auf Begegnungen, Erlebnisse, Eindrücke und jetzt, wo die Zeit fast vorüber ist, bin ich mit tollen Erinnerungen an denselben Orten, was eine gewisse Wehmut hervorruft. Aber wenigstens immerhin ich keine Endtäuschungen im Gepäck. Florenz haben wir zwar schon gesehen aber der Blick über die Stadt von einem Hügel, vermag unsere Aufmerksamkeit doch noch einmal zu erobern. Im Exfila, dem Laden, den wir heute mit Minirock beehren werden, ist noch gar nichts los, ausser dass ein paar andere Musiker schon lange gelangweilt darauf warten, dass etwas passiert. Eine Situation, die mir irgendwie fremd vorkommt. Auf dieser Tour gab es das bei uns so wenig, dass ich es kaum mehr kenne. Der Soundcheck geht dann erwartungsgetreu eher italienisch, sprich endlos von statten, obwohl der Techniker hier sehr aufgeschlossen ist. Schlussendlich hat er dann aus unserem Instrumentarium auch einen Wahnsinnssound gezaubert. Allerdings nicht auf der Bühne. Peters Stimme klingt wegen der Erkältung schon so ziemlich mumpfig und der kaputte Monitor macht es nicht besser für ihn. Man schraubt noch etwas herum, was aber nichts bringt. Nach dem Soundcheck und dem Essen lassen Peter und ich unserer Müdigkeit freien Lauf und verkriechen uns noch für ein Nickerchen im Auto. Wir sind als zweite Band von drei dran und denken, solange die Band noch nicht spielt, ist es sicher noch nicht zu spät. Plötzlich hören wir sie dann spielen und schlafen ein. Unser Wecker geht noch gerade rechtzeitig und beim Weg hinauf in den Saal begegnet uns der Veranstalter, der den ganzen Abend dafür gesorgt hat, dass es uns an nichts fehlt und nun besorgt nach uns sucht. In 10 Minuten sind wir dran! Knapp schaffe ich es, in dieser kurzen Zeit wieder wach genug zu werden, um eine würdige Performance abgeben zu können. Das Lokal ist gut besucht und die Leute sind interessiert und neugierig (sie haben schliesslich auch Eintritt bezahlt). Als wir beginnen, strömen die Leute nach der obligaten Rauch- und Trinkpause wieder herein. Wow! Es werden sogar noch mehr als bei der Band vorher. Das Konzert wird echt gut und kann mit dem letzten Auftritt in Rom mithalten. Für mich persönlich hat sich das Konzert in Rom besser angefühlt, vielleicht weil sich alles ein wenig überraschender zum Guten gewendet hat als heute. Aber als äusserst würdige letzte Show dieses Minirockduos, ist es noch lange gut genug. Das zeigt sich auch nach dem Konzert, als uns das Volk den Laden leer kauft und die anderen Bands nur zukucken können. Die Band nach uns hat aber auch eine ziemlich beeindruckende Audiovisuelle Performance von sich gegeben. Peter freundet sich jedenfalls gleich mit dem Engländer, der der Kopf dieses Retroindustrial-Elektroduos (oder wie man das nennen soll) ist an. CDs werden getauscht und mögliche Kollaborationen ausgeheckt. Nach dem wir uns noch ein bisschen unters Volk gemischt haben, räumen wir unser Equipment ins Auto. Es muss noch neu sortiert werden, da Peter auf der Tour ohne mich nur noch die Hälfte braucht und ich gewisse unentbehrliche Dinge schon mit nach Hause nehme. Dann fahren wir mal wieder im strömenden Regen durch Florenz zu unserem Nachtlager. Das ist beim Veranstalter zu Hause, wo er uns noch ein paar musikalische und kulinarische Leckereien serviert. Dazu stellt er immer wieder ziemlich direkte Fragen. 4 Uhr Lichterlöschen, der Wecker klingelt in 4 Stunden!

Samstag 21. April 2012

Der Morgen scheint viel zu früh, ich sitze in einem Fiat Panda und werde vom Veranstalter an den Bahnhof gefahren. Er fragt mich aus, was denn Peter heute so zu tun pflegen möge. Selten jemanden gesehen, der sich so konsequent um das Wohl des Künstlers kümmert. Er setzt mich am Bahnhof ab und meine Heimreise beginnt. Die Strecke von Florenz nach Mailand ist vorwiegend in Tunneln und ab Mailand ist dann Italien nur noch ausserhalb der Fenster des Zuges auf dem SBB steht. Müde, mit Kopfhörern auf der Rübe, um mich vor dem Touristengelaber irgendwelcher St. Galler Tussen zu schützen, hänge ich am Fenster meinen Gedanken an die letzten zwei Wochen nach. War es Urlaub? War es Abenteuer? War eine Erfahrung, die mich so einiges gelehrt hat? Es war eine tolle Tour! VIELEN DANK PETER!


28
Nov 09

27.11.2009 Peter Piek @ Hog Bar, Rock Bar, Golling AT

Es ist eine Schande. Wir erreichen Golling um 18.30 Uhr mit grosser Vorfreude und als erstes müssen wir unsere Unterschrift dafür geben, dass der Club eine Chance hat, überhaupt weiter zu existieren. Eine Nachbarin, Frau H, hat wohl in ihrer Jugend was versäumt und muss jetzt politisch gegen einen Club vorgehen, der weit und breit einer von den wenigen ist, die alles richtig machen. Ich spiele hier zum dritten Mal und weitere Gigs mit anderen von meinen Bands sind schon gebucht. Meinen Tagebucheinträgen ist zu entnehmen, dass die Hog Bar in Golling, so weit es auch von zu Hause weg ist, immer wieder Balsam für die Seele ist, gerade in harten Zeiten für unbekannte Bands. Der Deal ist hier voll in Ordnung. Die Bands kriegen den Eintritt, der Club die Bareinnahmen. Die Location befindet sich abseits vom Mainstreamtrubel in den Salzburger Voralpen aber man hat ein Publikum, das gerockt werden will. Die Getränkebons würden bei geschicktem Einsatz reichen, um sich die Lampe ordentlich zu füllen, da sie nur für alkoholische Getränke gelten, Softdrinks sind für uns unbeschränkt gratis, wir kriegen ein leckeres Nachtessen und ein Landgasthofzimmer zum Übernachten. Abgesehen davon zählen Andi und sein Bruder, die die Bar führen zu den sympathischsten Cluboberhäuptern, die ich je gesehen habe und haben einen guten Musikgeschmack dazu. In der Hog Bar besteht die Hälfte des Publikums auch aus Musikern der Gegend, was zur Förderung der Netzwerke unter Musikern über die Landesgrenzen heraus führt. Kulturförderung pur, ohne dem Staat einen Cent abzuzwacken. Aber nein, nach jahrelangem erfolgreichem Betrieb muss nun Frau H. aus G. dumm rüsseln und bei der Behörde gegen die Hog Bar weibeln. Der Landgasthofbetrieb war zwar eigentlich eher da als die Hütte von Frau H. aber reiten wir jetzt mal nicht auf Details herum. Offensichtlich liegt Andi und Co. der Peter Piek Gig stark am Herzen, denn Leute, die ans Konzert kommen, die mir übrigens am Parties Break Hearts Konzert diesen Frühling geflüstert haben, sie hätten leider letztes Jahr Peter Piek verpasst, sagen mir, das sei unter den aktuellen Umständen die Ausnahme schlechthin, dass das Konzert nicht abgeblasen wurde. Der ganze Trubel um die Nachbarschaftsklage wird allerdings von Andi nicht gross zum Drama heraufgespielt. Während des Soundchecks, bei dem wir die Supportband aus Linz kennen lernen, deren Torbus wir auf der Autobahn etliche Male überholt haben, wird überhaupt keine Panik wegen Lautstärkeproblemen gemacht. Man weiss schliesslich hier, dass Rockmusik bei unter 100 dB nicht funktioniert, was dem „Mischer“ von gestern im Carina beispielsweise nicht bekannt ist, Vollpfosten. Andi hat vorsorglich die Fenster in den 1 Meter dicken Mauern des Clubs zugemauert und macht schon mal ausserhalb des Clubs Lärmmessungen, während des Soundchecks, um sicher zu gehen, dass das Problem der Nachbarin H. sicher nicht bei der Lärmbelästigung liegt. 45 dB, als keine Band spielt, aber ein Auto anbraust. 43 dB, als wir volle Kanne kloppen und ein Wind weht, 44 dB das rauschen des Bachs. Selbe Situation der Lärmemission während des Konzertbetriebs. Ich könnte kotzen. Hoffentlich brennt das Haus von Frau H. bald ab, weil sie, vergessen das Hörgerät einzuschalten, den laufen gelassenen Gasherd nicht bemerkt hat. So, genug über stieres Pack gelästert. Zum Konzert gibt es nur folgendes zu sagen: Die Vorband war besser als jede Vorband hier zuvor, obwohl ich finde, der Leadsänger gehöre in die Mitte und nicht in den Schatten links aussen und der Schlagzeuger dürfte auch mal schlagen und nicht irgendwas rumjazzen, wenn er in einer Rockband sitzt. Die Band erntet Zugaberufe, nützt die Situation aber nicht aus und wir rocken dann voll vors Fressbrett. Aber wirklich voll. So voll wie glaub ich eigentlich noch nie vorher auf dieser Tour. Der gut besuchte Laden ist bestens in Stimmung und wir auch. Im zweiten Song verirren wir uns zwar ein wenig, weil die Nebelmaschine, die eigentlich für Open Airs konzipiert ist, einfach alles einlullt und wir nicht mal mehr unsere Instrumente sehen können. Unsere Performance sprudelt nur so vor Energie und wir werden am Schluss auch nicht mehr von der Bühne gelassen. Irgendwann ist unser Repertoire dann aber vollends ausgeschöpft und wir ergeben uns der Golling Party. Eine Viatnamesentussi (das soll jetzt nicht irgendwie rassendiskriminierend rüberkommen, aber sie ist wirklich eine Tussi, ich kenne kein anderes Wort dafür, sorry) führt mir ihre Digicam vor, mit der sie ihren „Freund“ während unserem Konzert Fotos von mir und ihr machen liess. Zu erst hat sie mir mit ihrer Ich-strecke-meinen-Po-dem-Schlagzeuger-entgegen-Pose  die so HiHat weggedrückt, dass ich sie bei Peter Pieks 2nd Dream nicht mehr traf, dann sass sie mir zwischen zwei Songs plötzlich halb auf dem Schoss um sicher zu gehen, dass sie mit mir abgelichtet wird. Und ich dachte, während eines Konzerts Rosen vom Kavalier angedreht zu bekommen sei die Krönung der bizarren Situationen dieser Tour. Nach unserem Abgang entert Andi stolz die Bühne und verkündet stolz den Gewinner des Dezibelwettbewerbs. Peter Piek siegt mit 106 dB, gemessen im Club, draussen war es permanent unter 45 dB still, ausser es bellte ein Hund. Da könnte ich auch nicht schlafen.

Viel später am Abend philosophiere ich noch mit Andi über die Moral von Rockclubs und lasse mich über Frau H. ohne Scham aus, während meine Bandmates mit irgendwelchen mehr oder weniger musikalischen Konzertbesucherinnen versuchen, den ohnehin schon gelungen Abend aufzuwerten. Es muss 4 Uhr werden, damit ich alle Getränkebons versoffen habe (halt nicht so effizient).


28
Nov 09

26.11.2009 Peter Piek @ Cafe Carina, Wien AT

Lest noch mal Tagebucheintrag Peter Piek Cafe Carina 2008 auf www.chrz.ch. Das Konzert verlief stimmungsmässig exakt identisch, obwohl wir unser Set der verkrampften Wienerheit angepasst haben und uns die Singer/Songwriterin, die uns in Amsterdam aufgesucht hat, supportet hat. Es war echt ein Messerstich ins Herz, mit anzuhören, wie schlecht der Mischer, der den einzigen Unterschied zum letzten Jahr darstellt, den Sound für diese Künstlerin eingestellt hat.

Bei uns hat er dann genau so einen auf unhörbar versucht zu machen. Sorry, aber wir machen immer noch Rockmusik. Wenn ich da bei dem lautesten Song mit Gehörschutzstöpseln in den Ohren immer noch die Leute lauter quatschen höre als ich kloppe und der Mischer, der gleichzeitig auch noch auf Chef de Bar macht, mir Handzeichen gibt, ich solle leiser spielen, stimmt irgend etwas nicht mehr. Zudem hat man die Getränkebons innert einem Jahr von 6 auf 3 gekürzt und die gelten jetzt auch für unalkoholische Getränke. Ein Wunder, dass ich einen halben Liter Hahnenwasser umsonst erhalten habe. Schalomm. Und Peter bestellte sich einen Gin Tonic, um diesen quatsch herunter zu spülen, worauf die Barkeeperin ihm noch 50 Cent Aufpreis auf den Getränkebon heuschen wollte. Hallo? Peter lief natürlich kopfschüttelnd davon, den Gin Tonic in der Hand. Später hiess es dann, die 50 Cent gehen aufs Haus. Wow. Schönes Wien. Carina auf die schwarze Liste!


27
Nov 09

19. bis 22.11.2009 Peter Piek The Italian Story And Driving Style

Ich sage es jetzt mal in Steads Worten in breitem Italoakzent: “Oh my god, they drive me crazy!“ Das erste von vier Konzerten in Italien, das in einem keine Ahnung wie coolen Club in Milano stattgefunden hätte, ist zwei Tage vorher grundlos abgesagt worden. Toll! Stead, unser Mann vor Ort, der uns schon letztes Jahr bei der Gipsy Attacke beigestanden hat, hat aber alle Hebel in Bewegung gesetzt und uns ultrakurzfristig einen Ersatzauftritt besorgt, der zwar niemals so lukrativ wie der Abgesagte sein wird aber lieber das als gar nichts. Egal was man von den Italienern hält, aber in der Musikszene herrschen hier noch Zustände, von denen wir nur träumen können. Wir können in einem Kaff vor Milano in einem Studentenclub namens Il Circolo spielen. Da spielen heute Abend zwei Bands und wir können uns noch davor pflanzen und eine halbe Stunde einheizen. Dafür erhalten wir einen Platz am nach italienischer Manier gedeckten Tisch. In Italien ist es üblich, dass vor dem Konzert alle Mitwirkenden an einer Tafel sitzen und zusammen essen bis genug. Es ist immer sehr familiär und niemand geht hier hungrig oder durstig auf die Bühne. Sonst „Mama mia!“ Um 21.45 beginnt unsere halbe Stunde. Wir sind von der langen Fahrt dermassen von der Rolle dass ich mir bis zum Moment, in dem ich die Bühne betrete eigentlich nur vorstellen kann, ins Bett zu gehen als ein Konzert zu klopfen. Doch vom ersten Schlag an bin ich hellwach und wir toben uns aus. Wir sind schliesslich Musiker und nicht internationale Taxifahrer. Das hier ist die einzige halbe Stunde an diesem Tag, in der wir Musik machen können, also geniessen wir es entsprechend. Die Leute, die hier den Abend verbringen, verteilen sich an die zahlreichen Tische in der etwas übermotiviert grossen Halle vor uns. Der Club war wohl früher mal eine Lagerhalle oder ein Supermarkt und jetzt hat man eine ziemlich fette Lautsprecheranlage reingestellt und es gibt regelmässig Konzerte umsonst. Klar ist, dass die Leute eigentlich hier sind, um zusammen abzuhängen und es spielt gar keine Rolle, ob eine Band spielt oder ob eine Platte läuft. Diesem Umstand zum Trotz kriegen wir allerdings ziemlich viel Aufmerksamkeit und die abgefahrene Jazz Rock Gruppe aus Luxemburg, die nach uns spielt, spielt zwar in einem Takt 100 mal mehr Töne und ein mehrfaches virtuoser als wir, scheint aber damit den Draht zum Publikum, den wir aufgebaut haben eher zu zerschneiden als weiterzuspinnen.
Stead, der die jetzt einen zivilisierten Haarschnitt, der besser zu seiner Freundin passt trägt und den ganzen Abend nur Sprüche gegen Schlagzeuger von sich gibt, lässt uns danach in seiner Wohnung in Milano pennen. Diesmal soll der Aufenthalt bei ihm nicht wieder zum gleichen Desaster führen wie letztes Jahr, weshalb wir unser gesamtes Equipment in die Wohnung hochtragen. Stead hat uns diesmal auch noch in einer weiteren Angelegenheit geholfen, nämlich bei der Abwicklung unseres Kurierdeals mit dem Coodenamen „Turtles“. Ja, wir hatten unter anderem äusserst spezielle Mitfahrgelegenheiten von Köln nach Milano: Drei kleine Schildkröten. Für die machte Stead telefonisch den Übergabetermin in Milano klar. Es ist unglaublich, wie lange ein italiener dafür an der Strippe hängen kann. Es ist schön, Stead und seinen Mitbewohner unter normalen Umständen wiederzusehen und wir lernen die beiden von ihrer entspanntesten Seite kennen.
Das nächste Konzert findet dann in Pavia statt. Ich glaube es ist Freitag. Ich habe mittlerweile die Übersicht über Wochentage verloren. Der Club heisst Spazio Musica und ist Tourtagebuchlesern ebenfalls vom letzten Jahr bekannt. Pavia, eine Stunde südwestlich von Milano hat einiges an Schönheit zu bieten, deswegen sehen wir auch zu, dass wir zeitig da sind. Pizza, Capuccino. Im Club tauchen wir pünktlich und ohne Hilfe des Navigationsgeräts auf. Zu pünktlich, denn hier kommt man grundsätzlich zu spät um pünktlich zu sein. Alles läuft dann wie gehabt, ausser dass der Pavia Effekt von letztem Jahr ausbleibt. Die Leute lassen sich nicht zum Tanzen bewegen, obwohl es eine Gruppe junger Männer vorne rechts erst wohlwollend versucht. Das Problem ist eindeutig, dass die Mischung des Publikums nicht stimmt. Es sind deutlich mehr Männer da und die anwesenden Frauen haben alle ihren Hengst dabei. Da gehen die Typen vorne rechts leider leer aus und ihre Tanzbeine waren sowieso ein bisschen verkrampft. Trotzdem ist die Stimmung freundlich und die Show geht gut über die Bühne. Nach dem Konzert verziehen wir uns in die Wohnung des Clubbesitzers um mal wieder richtig zu schlafen. Die letzten beiden Nächte waren einfach zu kurz und wir haben noch mehr als die Hälfte der Kilometer vor uns. Peter probiert sich aber erst noch durch die abgelaufenen Fressalien im Kühlschrank und stellt fest, dass es schon was wahres hat, wenn ein Italiener sagt, die Sachen im Kühlschrank seien nicht mehr essbar. Immerhin liegt das Verfalldatum des Mozzarellas einen Monat zurück.
Am nächsten Tag brechen wir Richtung Rom auf und kriegen es als erstes mit einer Schrecksekunde zu tun, als wir das Ziel, Alatri, im Navi eingeben: Ankunftszeit 23.45 Uhr! Nach nervösem herumdrücken finde ich dann raus, dass die Fahrt so lange dauerte, wenn man kostenpflichtige Autobahnen meiden würde. Wir haben aber vor die ungeheuren Kosten auf uns zu nehmen und nehmen den schnellsten Weg. Das nächste Problem mit dem Navi bahnt sich dann auf halber Strecke an: Irgendwie ist die Steckbuchse für die Stromversorgung kaputt gegangen. Rom ohne Navi? Niemals! Mit Gaffa Tape (Sehr starkes Faserklebeband, Ausrüstungsgegenstand Nr.1 eines Musikers auf Tour) lässt sich zum Glück alles reparieren. Erst finde ich aber mein Gaffa nicht, was meiner Stimmung gar nicht gut kommt, denn ohne diese Rolle kann ich nicht arbeiten, nein, nicht leben!! Doch peter hat auch Gaffa und dann führt uns das Navi 80 Kilometer westlich von Rom durch die Pampa, abseits der Autobahn über Pässe durch die rauchgetünchte einbrechende Nacht. Um 20 Uhr erreichen wir das Bergkaff Alatri und glauben uns schon fast nicht mehr auf dem Europäischen Kontinent. Wir steuern unseren Tourbus durch die engen Gässchen der alten Stadt und finden diesmal den Club trotz Navi nicht. Ratlos parken wir den Bulli (so nennt der Deutsche den Tourbus, für mich klingt das eher nach Erntefahrzeug, aber egal) auf einem Platz unterhalb der Stadtmauer und wollen den Club zu Fuss suchen gehen. Kaum sind wir aus dem Bus ausgestiegen, ruft jemand „Piiter“. Der Clubbesitzer Nilo, ein glatzköpfiger, strammer junger Mann steht oben an der Mauer und winkt uns zu sich. Wie lange der da wohl schon gewartet hat? Und woher wusste er, dass wir hier parken? Unwichtig. Er empfängt uns sehr herzlich, hat sich offenbar sehr gefreut, flankiert von zwei indiemässig gestylten Typen, die gerade Zigaretten rauchen. Ehm, halt mal, die sind doch allerhöchstens 12 Jahre alt! Nilos Dada Club, scheint so etwas wie ein Jugendtreff zu sein. Aber was ist mit dem immensen Alkoholsortiment hinter der Bar? Also entweder kennt die Jugendschutzbehörde Alatri nicht oder in Italien gibt es keinen Jugendschutz. Zwei höchstens 14 Jährige Girls bestellen sich einen reichhaltigen Cocktail und stürzen ihn schneller runter als ich mein Schlagzeug aufbauen kann und darin bin ich mittlerweile wirklich sehr schnell. Nach dem Soundcheck werden wir erneut wohl verpflegt und danach beginnt einmal mehr das lange Warten auf den Auftritt. Es ist Samstagabend und in der Stadt ist Brautschau. Die Teenies stolzieren ihre Runden durch das Städtchen und halten sich nie länger als 15 Minuten unter einem Dach auf. Es ist ein nervöses Geläufe und obwohl ausser unserem Konzert in der Stadt heute eigentlich nichts los ist, ist der Club fast leer, als wir um 23 Uhr spielen sollten. Wir zögern den Beginn des Konzerts raus und als wir dann endlich anfangen, hat es zwar etwas mehr Leute aber das Rein-Raus Spiel nimmt kein Ende. Es nervt ziemlich, wenn man das Gefühl hat, niemand hört einem zu und Peter beginnt wieder mit der Kölner Masche „ich behandle mein Publikum wie einen Misthaufen“. Da dieses Thema mit Peter immer noch nicht diskutiert wurde, bleibt mir nichts anderes übrig, als dem Bandleader meine Entrüstung mit aggressivem Spiel zu zeigen und versaue dadurch unabsichtlich einen wichtigen Akzent. Sehr unprofessionell von mir und sofort reisse ich mich zusammen. Die Message scheint aber angekommen zu sein und der Mann reisst sich ebenfalls zusammen, wir wenden das Blatt und das Ganze entwickelt sich doch noch zu einer langen und unterhaltsamen Show. Die Menschentraube (Durchschnittsalter 15 Jahre) vor der Bühne wächst mit der Zeit und am Ende, als wir die allerletzte Zugabe spielen wollen, kommt Nilo zur Bühne und bittet uns „In Your Eyes“ zu spielen. Natürlich erfüllen wir ihm diesen Wunsch worauf er wie ein kleines Kind strahlt und den Song mit seiner Freundin in den Armen liebkosend geniesst. Danach bedankt er sich in italienischer Manier bei uns. Kiss Kiss.
Nach dem Konzert setzen wir uns an einen Tisch abseits der Leute und Peter muss eine Moralpredigt zum Thema „Wie behandelt man ein schwieriges Publikum“ von mir und Lucka über sich ergehen lassen. Irgendwann werden wir uns einig und gesellen uns wieder zu Nilo, der den Laden dicht machen will und irgendetwas von Cappuccino stammelt. Wir packen unseren Kram in den Bus und folgen Nilos Wagen durch die Gegen. Erst muss er seine Freundin nach Hause bringen, dann sucht er die ganze Umgebung von Alatri nach einer, jetzt (Sonntagmorgen 03.30 Uhr) noch offenen Cappuccino Bar ab. Eigentlich wollen wir nur noch pennen, aber wir wollen der Gastfreundschaft nicht Knebel zwischen die Beine werfen und trinken in Frosinone Cappuccino mit Nilo und seinem Kumpel, der ziemlich angetan ist von Peters Malerei. Die Beiden scheinen total Fan von Peter zu sein und sind total happy, dass sie mit uns abhängen können. Scheint hier auch üblich zu sein, mitten in der Nacht noch Kaffee trinken zu gehen. Nilo bringt uns dann zu sich nach Hause zum Übernachten. Der Hahn kräht schon, als wir auf der Olivenfarm, wo er bei seinen Eltern wohnt, ankommen. Als wir uns ausgeschlafen haben (Milch im Kaffee macht es möglich) und uns gegen 14 Uhr verabschieden wollen, bittet uns Nilo erneut zu Tisch und Mama fährt einen ordentlichen Italienischen Dreigänger auf. Unglaublich lecker! Gegen 16 Uhr bedanken und verabschieden wir uns dann doch, obwohl wir uns gut vorstellen könnten, hier noch eine Woche zu bleiben. Bevor wir nach Rom fahren, sehen wir uns noch ein wenig Alatri an, dass auf jeden Fall auch sonst eine Reise wert wäre.
Die Fahrt nach Rom würde etwa eine Stunde dauern, dauert aber länger, wenn man die Staubewältigungstechnik der Italiener noch nicht drauf hat. Erneut profitiere ich von einer Lektion in authentischem italienischen Fahrstil. Wir schaffen es knapp rechtzeitig beim Lian Clup aufzutauchen, wo man uns schon erwartet. Der Club ist ziemlich cool und hier spielen gewöhnlich schon eher bekanntere Bands. Da wir heute keinen lokalen Support haben und dazu Sonntag ist, dürfen wir wohl nicht mit dem grössten Publikumsaufmarsch aller Zeiten rechnen. Aber es ist trotzdem toll, hier spielen zu können. Der Club, der ein gemütliches Jazzclubambiente hat, ist gut ausgerüstet, der Mischer ist sehr professionell und er mischt alles andre als jazzig. Er sagt zum Beispiel nicht, Peter soll seinen Gitarrenamp runter drehen. Nein, er stellt noch ein Mikrofon ran, um ihn gegebenenfalls verstärken zu können. Wir müssen uns beim Soundcheck sehr beeilen, denn jemand hat den Club für ein Geburtstagsfest vor unserem Konzert reserviert und darum muss der Lärm um 20 Uhr vorüber sein. Die Dame, die Geburtstag hat, trudelt dann auch pünktlich ein und macht sich mit ihren sehr gut aussehenden Freundinnen vor der Bühne über einen lecker bestückten Snacktisch her, von dem die Bedienung eben Lucka verscheuchen musste. Wir werden derweil an einem anderen Tisch genau so lecker verpflegt. Die darauf folgende Wartezeit vertreiben wir uns damit, am Navi und an der Setliste herumzuschrauben. Die Operation am Navi gelingt, die an der Setliste nicht. Mit bangenden Gesichtern schielen wir immer wieder zum Eingang, vergebens, denn da kommt einfach lange überhaupt niemand. Jedes Mal, wenn jemand von der Geburtstagsparty den Mantel holt, um draussen rauchen zu gehen, denken wir schon, das wars, wir können zusammenpacken. Aber zum Glück kommen die immer wieder rein und je später der Abend tauchen doch noch vereinzelt Leute auf, so auch Awa, die Frau, die uns das Ganze hier arrangiert hat. Während wir uns mit Awa und ihrem Freund, der uns heute auch seine Wohnung zum Übernachten zur Verfügung stellt unterhalten, schreibe ich schnell eine absolut neue Setliste. Wir können hier nicht unser übliches Programm durchziehen. Wir müssen das Ganze auf eine nicht zu lange Greatest Hits Kollektion zusammenstauchen, die aber trotzdem noch ihre Höhen und Tiefen hat. Schwierig, schwierig. Ich protestiere vor dem Konzert auch noch lauthals gegen die verpennte Stimmung, die unter uns gerade herrscht. Mit den schlimmsten Befürchtungen im Hinterkopf (Ich kenne ja diese Römerinnen nicht, aber Frauen, die da wo ich her komme so rumlaufen wie diese Cicas hier, suchen in der Regel das Weite, sobald sie eine elektrische Gitarre hören) gehe ich auf die Bühne und hoffe wie immer das Beste, was dann zur Rettung des Abends auch Eintrifft. Peter legt von A bis Z eine perfekte Show hin. All das, was wir ihm gestern angeprangert haben, setzt er um, als hätte er ein Jahr dafür geübt. Ok, wenn man das bestaussehendste Publkum vor der Bühne hat, ist das schon mal eine saubere Vorlage. Er bringt es aber fertig, dass das kleine Publikum nicht noch kleiner wird. Die Damen können kaum mehr still sitzen und sind entzückt von der überraschenden Darbietung, fotografieren, klatschen, tänzeln, lachen, wollen Zugabe. Heilfroh, dass wir die Party verlängert und nicht beendet haben, kommen wir von der Bühne und Peter baut, nachdem er natürlich seine Fanartikel an die Frau gebracht und Mailadressen gesammelt hat, sofort seine Equipment ab. Was ist denn jetzt los? Lucka und ich blicken uns fragend an. Hat jemand über Nacht Peter ausgewechselt? Normalerweise ist sein Kram der letzte, der nach dem Konzert die Bühne verlässt. Egal, rasch räumen wir den Bus voll, denn wir müssen schlafen gehen. Morgen fahren wir nach Bern, was ja nicht gerade um die Ecke ist und wir müssen noch einen Parkhauswächter bestechen, damit unser Van voll mit wertvollem Equipment bis morgen früh sicher ist.
Montag früh machen wir auf dem Weg nach Bern ein Italy In 8 Hours Sightseeing. Kolosseum Rom, Petersdom, Espresso in Florenz, Pizza in Parma und schon haben wir den Schweizer Nebel erreicht und lassen Pizza und Margherita hinter uns. Italien hat die volle Punktzahl erreicht und ich weiss jetzt, wie man mit dem Auto schneller von A nach B kommt.


27
Nov 09

18.11.2009 Peter Piek @ Blue Shell, Köln D

Der bis auf den letzten Platz ausgebuchte Tourbus rollt Richtung Köln, nachdem wir in Amsterdam nach einem gemütlichen Frühstück noch durch die Fussgängerzone in der Innenstadt geschlurft sind. Stau- und Gefahrenmeldungen unterbrechen immer häufiger das schlechte Radioprogramm. Von der Blechplatte über den Zementsack bis zum Dixieklo liegt heute alles auf der Autobahn herum und mit entsprechender Verspätung aber immer noch rechtzeitig tauchen wir in Kölns blauer Muschel (Blue Shell) auf. Ebbel, der uns schon letztes Jahr im MTC mit seiner Band unterstützt hat, ist schon in den Startlöchern und Soundcheckbereit, es fehlt nur noch mein Schlagzeug, das ich seinem Schlagzeuger Marius noch so gerne zur Verfügung stelle. Ich habe mich sehr auf diesen Abend gefreut, obwohl Köln ein hartes Pflaster für Bands ist. Überall sind die Deals so schlecht, dass man letztendlich meist drauflegt. Das steht in einem ziemlich direkten Zusammenhang, dass hier sehr viele gute Musiker rumlaufen und das Angebot an guten Bands eigentlich übersättigt ist. Ebbel ist genau so ein Typ, der sehr gut ist (und dazu so was von auf dem Boden geblieben) und die Performance seines Schlagzeugers Marius hat mich letztes Jahr so beeindruckt dass sie mir seither nicht mehr aus dem Hinterkopf gewichen ist. Wenn man so wie ich unterwegs ist, laufen einem immer wieder Vorbilder über den Weg und wenn man sie nach einer gewissen Zeit wieder im gleichen Zusammenhang trifft, ist es spannend herauszufinden, was man aus der Begegnung gelernt hat. Marius spielt sehr groovig und songdienlich mit einer perfekt bemessenen Prise Verspieltheit. Dazu setzt er sich optisch gut in Szene ohne sich in den Vordergrund zu drängen und wertet damit die Bandperformance zusätzlich auf. Der Marius Style, von dem ich mir gerne eine Tranche abschneiden würde. Und abgesehen davon mag ich ihn auch als Person obwohl wir bis heute eigentlich nur wenig mit einander gesprochen haben.
Ebbel macht als einzige Band Soundcheck, als alles auf die Bühne gestellt ist und dann gehen wir zum gleichen preiswerten aber guten Inder essen wie vor einem Jahr, da man hier im Club auch nicht verpflegt wird. Köln halt. Ich spiele jetzt zum zweiten Mal in Köln, doch kommt es mir vor, als hätte ich schon hundert Mal hier gespielt und es läuft immer genau gleich.
Zurück beim Club sind schon paar Leute da allerdings nicht genug, damit wir heute etwas verdienen würden. Mich stresst das nicht. In unserem Tourbudget steht hinter Köln eine Null und ich freue mich trotz den Umständen darüber, heute in einem Club zu spielen, vor dem ich schon Mal vor verschlossenem Tor stand und dachte, hier möchte ich auch irgendwann mal spielen, weil mir der Club einfach gefällt. Da habe ich also schon Schlimmeres über mich ergehen lassen müssen, keine Frage. Ebbel beginnt um 20.15 Uhr sein Set, dass er zugunsten der nach ihm spielenden Bands kurz hält, obwohl die Leute eigentlich mehr von ihm hören möchten. Danach sind wir dran. Ebbel und Co. stellen sich vor der Bühne auf und sind gespannt was da kommt und ich gehe mit einem guten Gefühl auf die Bühne. Was aber in den nächsten 45 Minuten geschieht, ist die gnadenlose Hinrichtung dieses guten Moods. Wir beginnen das Set mit einer kleinen Setlisteumstellung, die schon Mal überhaupt nicht funktioniert. Gut spielen wir aber trotzdem (ich glaube, ich kann langsam aufhören das zu erwähnen, es sei denn es ändert sich). Das Publikum ist ein bewegungstechnischer Betonklumpen und Peter passt das gar nicht. Er versucht dem Publikum was einzureden von wegen nach vorne kommen, worauf es allerdings überhaupt nicht anspricht. Das fuchst ihn ziemlich und sein zunehmend unfreundliches Verhalten unterschreitet dann denn unteren Grenzwert meiner Toleranz. Ich halte einmal aktiv dagegen, in der Hoffnung, die Handbremse an Peters Pöbelmodus zu finden und jemand ruft darauf hin „aber wenigstens ist ein netter Schweizer in der Band“. Da haben wir das Geschenk. Lucka bleibt während der ganzen Show ganz still und er fragt sich wohl das Selbe wie ich während des ganzen Konzerts. Wir gehen ohne Zugabe von der Bühne wobei ich ganz genau weiss, dass eine Zugabe drin gelegen hätte, wäre das Publikum mit mehr Respekt behandelt worden. Ich bin ja auch nicht der Typ, der als Bandleader jedes Idiotenpublikum mit Samthandschuhen behandelt, aber was Peter hier von sich gegeben hat, also nein, dahinter kann ich nicht stehen. Peter kommt nach dem Gig zu mir und erzählt was wie die sind aber scheisse drauf gewesen worauf ich ihm die Worte „du warst so ein Arschloch“ ins Ohr lege. Das ist dann eigentlich auch das einzige, was ich ihm an diesem Tag noch zu sagen habe. Den Rest des Abends rede ich kein Wort mehr mit ihm. Ich gehe frische Luft schnappen und höre wie enttäuschte Konzertbesucherinnen über Peter diskutieren. Ich wage mich wieder rein und werde von der Sängerin von Marius anderer Band in Beschlag genommen und in ein Gespräch verwickelt. Ich bin heilfroh darüber, daran gehindert zu werden, mich in meine Unzufriedenheit hineinzusteigen. Auch Marius, der das ganze Konzert über vor der Bühne stand, wechselt noch ein paar Worte mit mir und meint ich hätte in meinem Spiel gegenüber dem letzten gemeinsamen Konzert einen Zacken zugelegt. Das ehrt mich und ich verschweige ihm nicht, dass er daran nicht unschuldig sei. In diesem Moment ist für mich Köln gelaufen. Gut gelaufen! Ich fasse neuen Mut und bin wieder in der Lage Peter normal zu begegnen, doch die Stimmung ist immer noch angespannt, als wir uns wenig später in einer Kneipe um die Ecke treffen, um gemeinsam zum Pennplatz zu fahren. Das heute Geschehene jetzt noch auszudiskutieren lassen wir sein. Wir sind auf den Felgen und es bleiben uns nur 4 Stunden Schlaf bis wir morgen nach Milano aufbrechen müssen. Wir werden den Bus voll Mitfahrer haben und wann die nächste Gelegenheit, reinen Tisch zu machen ist, steht in den Sternen.


20
Nov 09

17.11.2009 Peter Piek @ Jet Lounge, Amsterdam NL

Nach dem ich mir am freien Tag einen heftigen Muskelkater bei Luckas buy cialis 5mg Konsolenspielboxen geholt habe, steuern wir Amsterdam entgegen. Um unsere Spritkasse aufzubessern, nehmen wir auf langen Fahrten Mitfahrgelegenheiten mit, die so zu einem verhältnismässig günstigen Preis eine lange Strecke fahren können. Heute ist es ein Filmmensch aus Zypern, der von Filmfestival zu Filmfestival reist. Wir planen unsere Ankunft auf 17 Uhr, obwohl wir eigentlich am liebsten viel früher in Amsterdam sein würden, um uns die Stadt noch anschauen zu können, aber wer Amsterdams Parkgebühren kennt, weiss, dass wir uns das niemals leisten können. In der Jet Lounge ist natürlich auch noch niemand da, als wir ankommen, dann fahren wir eben zum anderen Club, in dem heute auch noch Peters Konzert stattfindet. Ja, Peter, darf hier heute gleich zwei Mal spielen. Er hat vor zwei Wochen irgendwo in Potsdam an einer Fahrplantafel per Zufall John Watts, den Sänger der Britischen 80er Band Fisher Z, den er auch persönlich kennt getroffen, mit ihm etwas blabla gemacht und somit einen spontanen Supportauftritt an Watts Konzert, im nur gerade mal feinsten Laden Amsterdams, nämlich im Paradiso gemischelt. Beim Paradiso ist die Parksituation nicht besser und im Künstlerparkbereich ist schon alles mit anderen Tourbussen zugeparkt, also müssen wir leider doch 4 Euro für eine Stunde Auto alleine lassen hinblättern.
Wir dürfen mit Peter zum Soundcheck rein. Peter spielt hier alleine mit der Gitarre und der Laden übertrifft wieder mal alles was ich bislang gesehen habe. Aber Lucka und ich haben eigentlich überhaupt nichts mit der Sache zu tun und das einzige, was wir davontragen, ist ein Backstagepassarmbändchen vom Paradiso, das wir den Rest der Tour tragen werden, ohne je da gespielt zu haben.
Während Peter vor vollem Haus drei seiner Songs zum Besten geben darf und dabei herausfindet, dass die 80er Fans mittlerweile auch schon ziemlich in die Jahre gekommen sind, fahren Lucka und ich zur Jet Lounge und krüppeln das ganze Equipment eine schmale Treppe hoch, während der Amerikanische, seines Zeichens sehr erfahrene Exberufsbassist für 20 Jahre seines Lebens, langsam Angst um seinen Laden kriegt, als er die ganzen Dezibelwaffen sieht, die wir aus unseren Taschen auspacken. Mangels Platz kann ich nur die Hälfte der Schlagzeugteile, die ich auf dieser Tour benütze aufstellen und die Drumstickabnützung wird heute gleich null sein, denn der Expunkrocker, dem der Laden gehört, versucht mich schon wieder zum Besenspiel zu überreden, was ich ihm aber entschieden ausrede. Lucka ist mittlerweile sehr still geworden, was bedeutet, dass der Magen einen absoluten Tiefststand erreicht hat. Mir geht es mindestens genau so und wir gesellen uns in die Pizzeria nebenan und nutzen die Wartezeit bis Peter im Paradiso abgesahnt hat, um uns zu sättigen.
Peter taucht nach 9 Uhr auf, ebenfalls hungrig und tut mit seiner Freundin erst mal das Selbe wie wir vorher, während der Amerikaner uns Plastikdollars für unsere Konsumation aushändigt. An der Bar sitzt auch eine Wiener Singer/Songwriterin, die momentan in Amsterdam Konzerte spielt und uns anscheinend von einem Konzert letztes Jahr in Wien kennt und der Holländer, der uns hier als Supportact und Publikumsmagnet (für 5 Personen, wohl bemerkt) unterstützt, greift bald in die Tasten und spielt seine zwei kurzen, freakigen und ziemlich witzigen Sets an einem Stück. Später wären dann wir dran und der Ami fragt mit seiner heruntergekommenen Stimme „Where the fuck is your fucking singer??“ Woher sollen wir das wissen? Und wir erzählen ihm die Geschichte aus Leipzig, Moritzbastei, Herbst 2008. Ami gröhlt. Irgendwann ist Peter dann doch am Start, hat sich eben nur schnell zwei „Vorgerollte“ besorgt und jetzt drehen wir die Verstärker noch leiser als jemals zuvor. Wir beginnen zu spielen und die erste Hälfte des Konzerts begleitet uns ein kaum erträgliches Fiepen und Brummen der Lautsprecheranlage, die total ungünstig für Konzerte eingebaut ist und zudem wohl falsch bedient wird. Irgendwann findet dann der Amerikanische Punkrockveteran heraus wo es koppelt, behebt das Problem, kippt stolz einen Whiskey runter und erklärt dem halben Publikum seine Heldentat. Obwohl wir unglaublich leise spielen, haben wir unglaublichen Spass und das Publikum applaudiert unglaublich laut für seine Grösse. In einem Song, den ich zum grössten Teil einarmig spielen kann, proste ich dem Ami mit der anderen Bierglas haltenden Hand zu, da er eben so nett war und uns ein zusätzliches Freigetränk in den Bühnenbereich gebracht hat. Meine Geste bringt ihn schier aus dem Häuschen, was mich motiviert, des Öfteren mal ein Bisschen die Stöckchen in die Luft zu werfen, wenn ich sie nicht gerade zum Spielen brauche.
Am Ende des Konzerts fragt dann die Wienerin, ob sie auch noch ein paar Songs spielen darf, was wir ihr natürlich erlauben und ganz am Ende begleiten wir sie auf ihren Wunsch noch spontan bei einer Instrumentalnummer. Sie spielt Klavier und wir unsere Instrumente. Da der Sound im Bühnenbereich aber so schlecht ist, dass man das Klavier kaum hört, müssen wir ihr die ganze Zeit auf die Finger schauen, um zu wissen was sie spielt. So neigt sich der Abend dem Ende zu und wir haben die Wahl zwischen Jugendherberge (mit Kosten verbunden) und Schlafen im Club (eingesperrt sein bis 10 Uhr). Da der Club sehr gepflegt ist, nicht stinkt und einigermassen bequeme Sofas hat, entscheiden wir uns ausnahmsweise und gegen meine Prinzipien dafür, hier das Nachtlager aufzuschlagen. Punkt 10 Uhr morgens kommt der Ami dann zurück um uns raus zu lassen und giesst sich als erstes Mal einen Burbon ein.


17
Nov 09

15.11.2009 Peter Piek @ Cafe Milargo, Münster D

Es regnet zwar zeitweise und wir hatten genug Dreisterneschlaf, eine gepflegte Dusche und ein ordentliches Frühstück, aber ich komme bis 16 Uhr nicht ohne Sonnenbrille aus und hänge wie eine abgestürzte Fledermaus im Tourbus. Holländisches Bier ist eine Substanz, die schon in minimalen Dosen tödlich ist. Nur habe ich das von meinem letzten Hollandbesuch nicht mehr so in Erinnerung. War ich damals so viel jünger? Egal, da man ja im Alkohol-Promillewert meines Blutes von gestern keine Spuren findet, kann ich ohne schlechtes Gewissen trotzdem irgendwann auch mal den Tourbus steuern und wir erreichen Münster im Regen gegen 17 Uhr. Bis die Leute vom Cafe Milargo, das eigentlich eine Unimensa ist, da sind, machen wir noch einen kleinen Stadtrundgang mit Sandwicheriahalt, wo ich an meinem Tourtagebuch weiterschreibe, während Peter versucht, die Bedienung zu einem Konzertbesuch zu überreden.
Zurück beim heutigen Veranstaltungsort, bauen wir routiniert unser Equipment auf und passen unsere Instrumente den heutigen, eher anspruchsvollen Bedingungen an. Der Raum erweist sich durch Luckas Schnalztest akustisch nicht gerade als trocken und auch Lautstärketechnisch müssen wir heute so fest drosseln wie es geht. Das Schlagzeug wird hier nicht verstärkt und ich stimme die Bassdrum so, dass das Podest auf dem wir spielen zum natürlichen Verstärker wird, in dem ich die Frequenz suche, bei der das Ding bei jedem Paukenschlag synchron mitschwingt. Gesucht, gefunden. Am Gitarrenverstärker wird auch an den Frequenzen manipuliert, bis das ungeschützte Ohr im leeren Saal keine Schmerzen mehr kriegt und durch abkippen des Verstärkers Richtung Peters Kopf wird sichergestellt, dass er, der sowieso nie genug davon hat, auch die volle Ladung von dem, was da jetzt noch rauskommt abkriegt. Wir kriegen einen sehr warmen, druckvollen aber nicht zu lauten und gut verständlichen Sound hin und sind ein bisschen stolz auf diese Meisterleistung. Es ist immerhin Sonntag und die Nachbarn seien schon etwas gereizt. Ein weiterer Grund, warum wir uns so anpassen müssen ist, dass wir heute Abend einen Pooetryslam musikalisch untermalen. Da sitzt das Publikum in grosser Zahl im ganzen Raum verteilt an Bistrotischen und möchte nach unserer dreiviertelstündigen Einleitung natürlich noch etwas von den Stimmen der Poeten hören und nicht gleich taub sein. Auch diese Veranstaltung ist eigentlich ein Experiment mit uns und wir sind alle guter Dinge, dass es funktionieren wird.
Pünktlich um 20 Uhr füllt sich der Laden relativ schnell. Der Poetryslam ist hier immer gut besucht und davon können wir jetzt, im Gegensatz zu gestern Abend, voll profitieren und zu einer sehr frühen Zeit vor einem vollen Laden performen. Das tun wir dann auch, nach dem wir abnormal nervös in einer Ecke gesessen haben und darauf gewartet haben uns den Poetryhungrigen, die zum Teil schon wieder gehen wollten, als sie die ganzen Instrumente auf der Bühne sahen und sich im Tag geirrt zu haben glaubten. Während des ersten dreiviertelstündigen Sets wird schnell klar, dass sie für uns mehr als erwartet übrig haben und sie mutieren zu unserem Zielpublikum, das wir dann auch gezielt abschiessen. Es dauert zwar etwas lange, bis wir das Eis definitiv brechen. Erst als wir ein paar musikalische Schnitzer bieten und uns dann gekonnt und grinsend aus der Affäre ziehen und Lucka Peter bei seinen Ansagen reinquatscht springt der Funke endgültig und wir gehen bei einem sehr warmherzigen Applaus von der Bühne. Jetzt slammen sich die Peotryakrobaten. Zwei von ihnen sind überaus gut und hauen mich, obwohl ich weder viel davon verstehe, noch grosses Interesse als Konsument dieser Kunst habe schlicht aus den Socken. Auch die anderen drei sind eigentlich besser als solche, die ich schon im Fernsehen gesehen habe, wenn vielleicht noch nicht so packend und routiniert, aber das wird schon noch. Nach einer halben Stunde ist der Slam dann auch schon vorbei und wir dürfen das Publikum wieder unterhalten, während der Veranstalter die Publikumsstimmen für die Schreiber/Leser auszählt. Erst heisst es aber, wir sollen mit Besen und leise spielen, da die Nachbarn nicht so zufrieden sind wie das Publikum. Das wäre aber nicht das was das Publikum und wir wollen und wir einigen uns auf 20 Minuten volle Kanne mit anschliessender Nachtruhe für die armen Nachbarn. Das erweist sich dann auch als einzig richtige Entscheidung, denn die Mädels in der vordersten Reihe können sich kaum noch auf den Stühlen halten. Die Stimmung ist perfekt und ich glaube wenn wir Sie nur einmal aufgefordert hätten, aufzustehen hätten sie das gemacht und das ganze wäre zu einer üblen Tanzparty verkommen. Dazu kommt es dann aber nicht, da die 20 Minuten verdammt schnell vorüber sind. Doch so einfach lassen sie sich nicht abspecken. Schon lange nicht mehr kamen die Zugaberufe so schlagartig und der Wunsch ist uns Befehl. Das Nicken des Veranstalters ist unser grünes Licht und wir bedanken uns passend mit „what about the ladies“.
Die Gage die, hier zwar ein zehntel der Gage von gestern ist, wird dann wohlwollend verdoppelt und beim Vergleich mit dem Konzert gestern vor leerer Hütte, bei dem aber sonst alles aus dem Traumbuch eines Musikers auf Tour abgeschrieben wurde, stellt sich heraus, dass ein gutes Publikum eben doch immer noch am wichtigsten ist. Geld macht bekanntlich nicht glücklich. Aber von was lebst du?