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11
Nov 09

31.10.2009 Peter Piek Admiralspalast 7. Fritz nacht der Talente

Kennst du Wetten dass? Da spielen immer irgendwelche Bands einen Song und kommen dafür aus den USA oder sonst einem entlegenen Ort angebraust. So was Ähnliches mache ich heute auch. Ich fliege nach Berlin um mit Peter Piek den Song „While the sun is burning away“ an der Fritz Nacht der Talente, im ausverkauften, 1700 Nasen fassenden Admiralspalst zu spielen. Obwohl das eigentlich ökologischer Stumpfsinn ist, habe ich nicht gezögert das durchzuziehen. Wenn mich Ken Jebsen und sein Team schon ausdrücklich darum bitten, dann bitte.
Um 9 Uhr kriege ich Berliner Boden unter die Füsse. 2 Grad, Sonne, Wind, 3 Wetter Taft. Ich spaziere mit meinem Köfferchen, in dem ich Kleidung und Drumsticks für 1 Tag und 1 Nacht habe der Spree entlang und schaue mir erst mal den Admiralspalast von aussen an. Die ziemlich heruntergekommene Fassade mit der Aufschrift Admiralspalast haut mich nicht wirklich aus den Socken. Dann merke ich erst, dass der Palast erst im Hinterhof dieses Gebäudes steht. Das ist dann schon prunkvoller und jemand rollt gerade einen roten Teppich im Hof aus. Bis zum Soundcheck schlage ich mir die Stunden in einer warmen Kneipe um die Ohren, einen ausführlichen Illustriertenartikel über den Mauerfall lesend.
12 Uhr, Peter und Lucka tauchen auf und wir gehen rein. Das hier ist eine andere Liga: Wir werden von einer Assistentin begrüsst, die uns gleich jedem einzeln und nacheinander alles zeigt: Bühne und wer macht was (hier ist jeder, der irgendetwas macht ein absoluter Profi), Cateringbereich, wo einer nur dazu da ist, Suppe zu Kochen und nach Bedarf den ganzen Tag Brötchen zu schmieren und den Backstagebereich, in dem jeder Künstler seine eigene Garderobe mit eigener Dusche, Klo und Bett hat. Selbstverständlich ist die Garderobe angeschrieben mit dem Künstlernamen, so dass sich auch ja niemand verirrt (trotzdem sitzt die Sängerin einer Band nach fünf Minuten auf dem Schoss des Sängers der Special Guest Band aus Südafrika). Alles ist ausgeschildert, trotzdem fragt mich Stephan, wo schon wieder das Catering sei. Man kann noch so viele Schilder an die Wand hängen, wer sich noch nicht daran gewöhnt hat, dass alles angeschrieben ist, liest keine Schilder.
Der Soundcheck verläuft nicht störungsfrei. Es gibt irgendwelche Probleme mit dem Mischpult und der Verbindung zum Übertragungswagen (Heute wird alles live am Radio zu hören sein) und niemand wird nervös. Alle bleiben so was von locker. An allen Konzerten, die ich bisher mitgemacht habe, hätte in dieser Situation der Techniker irgendetwas zwischen Schweiss auf der Stirn und einem Wutausbruch gekriegt. Hier nicht. Keine Anzeichen. Bei uns läuft auch nicht alles rund: Die Bühne ist mindestens 25m breit und mindestens 15m tief. Peters Gitarrenkabel ist nur 5m lang. Bis jetzt war das immer ausreichend. Hier hat er damit aber keine Chance, den Bühnenrand auch nur Ansatzweise zu erreichen. Es bindet ihn, wie einen Hund an einen Pfosten, an den in der hinteren Ecke stehenden Gitarrenverstärker. Irgendwie basteln wir dann zwei Kabel zusammen und dann hat auch Peter genügend Auslauf. Der Sound ist natürlich perfekt aber sogar hier schafft es Peter den Gitarrenverstärker zu laut einzustellen. Gelächter bei Lucka und mir. Endlich können wir den Soundcheck machen und der geht verständlicherweise fünf Mal so lange, wie der eigentliche Auftritt am Abend. Danach werden wir entlassen bis 18 Uhr. Während weitere Künstler ihre Technik einrichten, vertreten wir uns die Beine in der Stadt. Es werden heute Abend 7 Bands und 6 Komödianten auftreten. Alles sind auserlesene Künstler der KenFm Sendung auf Radio Berlin Brandenburg und die werden hier dem Publikum vorgeführt. Bei jeder Darbietung erscheint nach exakt 2 ½ Minuten ein Fragezeichen auf der Leinwand und das Publikum kann entweder klatschen und aufmunternd toben, was bedeutet „darf bleiben“ oder buhen, was bedeutet „mach die Bühne frei für den nächsten, du Penner“. Ken schärft uns vor der Show aber ein, dass die Reaktion der Leute nichts über die grundsätzliche Qualität der Kunst, die man darbietet sagt. Reine Tagesform sei das. Entweder sie mögen dich oder sie mögen dich nicht. Er sagt das sehr überzeugend (und schnell, denn der Typ kann so schnell sprechen, dass man seine Lippen gar nicht mehr sieht, unglaublich), doch dass das nicht stimmt beweist Peter Piek. Dazu später.
Die Show beginnt und Clowns suchen mit der mobilen Kamera das Talent im Cateringbereich. Peter findet es nicht im Suppentopf und ich nicht in Luckas Hosenbein. Dann kommt der Typ der zuständig ist für die Radiomoderation und sendet unser nervöses (gestelltes) stöhnen über den Äther. Der Zeitplan hängt überall an den wänden und Zutritt zum Bühnenbereich hat man erst 15 Minuten vor seiner Auftrittszeit. Das sind dann auch die 15 Minuten, in denen ich so richtig nervös werde. Endlich sind wir als letzte Band dran und werden professionell auf die Bühne geschickt. Dass in diesem mächtigen Theatersaal 1700 Menschen unter dem prunkvollen Kronleuchter sitzen und ihre Aufmerksamkeit auf uns gerichtet haben, merke ich nicht im Geringsten. Ich nehme gerade die ersten drei Reihen wahr, der Rest verschwimmt im Gegenlicht. Bei einem Auftritt von drei Minuten ist es schwierig, so viele Eindrücke zu kassieren, schliesslich ist man ja auch noch mit der Performance beschäftigt. Ich spiele das Lied also voller Energie eines zweistündigen Konzerts und sehe kaum mit wem. Peter ist so weit weg von mir, dass er aussieht wie ein Zwerg und Lucka braucht eine stattliche Anzahl Schritte, um zwischen uns hin und her zu pendeln. Die 2 ½ Minutenmarke ist erreicht, das Fragezeichen erscheint. Die Leute jubeln uns zu. Ein Stein fällt mir vom Herzen. Siegessicher bringen wir den Song zu Ende und auf meinen letzten Schlag nutze ich die unglaubliche Höhe des Saals aus und lasse einen Stock bis fast an die Decke steigen. Der Clown, der die Künstler jeweils von der Bühne begleitet, erwischt ihn, packt mich am Kragen und sticht mich mit meinem eigenen Drumstick nieder. Ich spiele den Sketch natürlich mit und merke erst, als ich hinter den Verstärkern am Boden liege, dass die Leute jetzt plötzlich buhen. Entweder, sie mögen dich oder sie mögen dich nicht. Was ist wenn beides der Fall ist? Nicht mal Ken und sein Team verstehen diese Reaktion. Das hat wohl noch keiner hingekriegt. Fakt ist, wir bleiben im Gespräch. Das wird mir aber erst hinterher klar. Bis zum Ende der Show und noch etwas darüber hinaus, stehen Peter und ich da wie geschlagene Hunde mit hängenden Ohren herum. Später, als Ken sich und uns fragt „was war los?“, mutmassen wir, dass das Publikum unzufrieden war, weil unser Song gleich nach dem Fragezeichen, als die Leute eigentlich wollten, dass wir weiterspielen, zu Ende war. Das kam denen dann vor, als würden wir sie verarschen. Oder vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, dass Peter als erstes frech zum Publikum war, kaum haben wir die Bühne betreten. Er sagte: „Hallo Berlin! Ihr seht gut aus….verhältnismässig“.
Die Aftershowparty von der alle schon den ganzen Abend schwärmten, erweisst sich nicht gerade als Knüller. Das würde ich übrigens auch sagen, wenn wir den absoluten Hit gelandet hätten. Denn auf der Party befinden sich nur noch ein paar, immer voller werdende Künstler mit ihren Anhängen. Ken und sein Team haben sich ziemlich schnell vom Acker gemacht. Und ich bin am Ende mit meinen Kräften. Schliesslich bin ich seit vier Uhr morgens auf den Beinen. Ich sitze irgendwo am Rand und warte darauf, dass wir endlich schlafen gehen können. Dann erst stellt sich heraus, dass das mit dem ursprünglich geplanten Pennplatz nicht mehr klappt und wir nächtigen in unserer Garderobe. Die anderen Künstler, die eine Stunde später ihren Kram aus ihren Garderoben holen, wecken uns ein erstes Mal, der Sicherheitstyp weckt uns mit seiner Zimmerkontrolle ein zweites Mal und eine weitere Stunde später ist es mein Wecker, der mich freundlich darauf hinweist, dass es 5 Uhr ist und ich zum Flughafen muss. Schlafen kann ich im Flugzeug wieder erwache erst als der Vogel etwas unsanft bei dichtem Nebel in Zürich aufsetzt. In diesem Moment bin ich mir sicher, dass wir abstürzen und das wars dann.


10
Okt 09

Peter Piek Tourblog. von Christian Schönholzer

03.10.2009 Moritzbastei Leipzig

Meine erste offizielle Amtshandlung auf dieser Tour ist es, mein Schlagzeug in Peters Wohnung hoch zu tragen und ich kann es kaum erwarten, endlich zu spielen. So wie ich in letzter Zeit drauf bin, trage ich meine 200 Kg Schlagzeug gerne zwei mal mehr herum, wenn ich dafür auch ein paar Stündchen mehr drauf klopfen kann, sei es auch um nur zu üben. Mir ist langweilig geworden mit dem was ich kann, ich muss besser werden. Peter scheint da ähnlich spitz zu sein, was uns nicht auf den Bassisten warten lässt. Es handelt sich um niemanden geringeren als Stephan Lucka aus Dortmund (früher Münster aber das mit der Freundin ist jetzt ernst), wie auf der letzten Tour. Losbrettern! Gegen 3 Uhr taucht der Tieftonheini dann doch endlich auf und wir können zu dritt lärmen. Allerdings nicht bevor wir die üblichen Schmeicheleien bzw. Frechheiten ausgetauscht haben.
Gegen 5 Uhr nehmen wir den ganzen Krempel erneut zweimal in die Hand und checken den Sound in der Moritzbastei. Die Mischerin versucht Peters eisernen Willen bezüglich Verstärkervolumen zu brechen, schafft es aber erst, als wir ihr verbal argumentierend zu Hilfe schreiten. Dann tauchen da zwei Damen mit Violine und Cello auf, stellen ihren Notenständer auf die Bühne und testen die Sicht, während die Mischerin das Gegenteil von vorhin tut, nämlich leise Instrumente laut machen.
Halb neun und es sind grob geschätzt erst vier Leute im Publikum anwesend. Sieht nicht rosig aus. Die Vorband startet wenig später und füllt den gähnenden Raum mit ihrer Musik. Sie tun mir ziemlich leid, die beiden und ich würde eigentlich gerne nach vorne gehen, um mehr Publikum zu mimen. Ich verzichte aber auf diesen symbolischen Akt des Zusammenhalts unter Musikern, da mir mittlerweile meine Performance wichtiger ist als das Wohlbefinden der anderen Band (welche durch meine Anwesenheit im Zuschauerraum auch nicht unbedingt den krassen Höhenflug des Abends kriegen würde). Ich habe auch damit aufgehört mich irgendwie für einen Zuschauermangel verantwortlich zu fühlen, geschweige denn, die Endtäuschung darüber meinen Gemütszustand übernehmen zu lassen. Es ist weder meine Schuld, noch kann ich irgendetwas daran ändern. Entweder man hat Glück oder Erfolg oder beides. Bleiben beide dieser Perlen zu Hause oder anderswo, bleibt die Band und ich mit einer Hand voll Zuschauern, deren Namen auf der Gästeliste stehen oder deren Geld in der Eintrittskasse liegt übrig und das ist dann unsere Konzertsituation, in der es genau so wie bei einer vollen, kochenden Halle darum geht, die Bestmögliche Performance abzuliefern. Eigentlich möchte ich nicht mal wissen, wie es da vorne zu und her geht, bis der Moment kommt, an dem ich die Bühne betrete. Es spielt nämlich keine Rolle, da das, was da vorne abgeht stark von dem abhängt, was wir auf der Bühne präsentieren. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bleibe Backstage, wärme mich auf, schreibe die Setliste ab, trinke viel Wasser und wenig Bier und versuche mich zu konzentrieren, was nicht ganz einfach ist bei dem ganzen Gequatsche in diesem kleinen Raum (unter anderem die Türkisch/Deutsch Lektion, die die Geigerin gerade mit ihrem Mitbewohner macht).
Als wir dann die Bühne betreten, sieht es dann schon aus, als hätten sich doch immerhin die meisten der 30 Personen auf der Gästeliste zum Trotz des Tages der Deutschen Einheit zu uns verirrt. Also lassen wir es krachen. Anfangs läuft es ganz gut. Die Stimmung unter den Leuten ist erfreulich gut, sie applaudieren nicht zurückhaltend und die Zuhörerzahl scheint laufend zu steigen. Doch das gelingt nur ganz am Rande bis zu meiner Wahrnehmung. Etwa ab dem dritten Song fühlt sich die Show an, als hätte man uns einen Stock zwischen die Beine geworfen. Es passieren Fehler und unsere spärliche Spielsicherheit, die wir uns in der kurzen Probe aufgebaut haben, verliert sich im Nichts. Peters Effektgeräte schmeissen zudem Steine auf uns, in dem sie mit Wackelkontakten für zwischenzeitliche Ruhe in den unpassendsten Momenten sorgen. Auch die Mischerin macht uns das Leben schwer: Bei einem Song, der gleich mit Gesang beginnt, vergisst sie das Mikro einzuschalten. Peter bricht ab, der Song kriegt eine zweite Chance. All die Dinge, die da geschehen, dürfen nicht sein! Nicht in dieser Band, die eigentlich die absolute Arschtrittshow abliefern kann, nicht in Leipzig, wo Peters Ruf am meisten unter solchen Pannen leiden könnte und schon gar nicht beim Tourauftakt. Klar kann man das alles irgendwie rechtfertigen und entschuldigen, doch nach all den Konzerten, die ich bis heute gespielt habe, all den Kilometern, die ich dafür gefahren bin, all den Stunden, die ich dafür geübt habe und all den Bands die ich kennengelernt habe, denen so etwas total schnurz ist und die es nie zu etwas bringen werden und früher sterben, weil sie zu viel Freibier gesoffen haben, habe ich einen Anspruch entwickelt, dessen Toleranzgrenze für Patzer weit höher liegt als das, was hier gerade vor sich geht.
In der Mitte des Sets spielt Peter zwei Songs mit den Streicherinnen, bei denen Stephan und ich nicht mitspielen. Ich ziehe mir das aus den Reihen des Publikums an und habe das Gefühl, dass diese sieben Minuten den Abend retten. Am Ende des Sets spielen wir unseren Zugabenprovozierer „Underwater Death Song“. Für diesen Song haben wir auch zwei Gastmusiker: Einen Pianisten und einen Saxer, die den Übungsraum über Peters Wohnung haben. Beides begnadete Jazzer. Als ihr Einsatz gegen Ende des Songs näher rückt, stehen sie wie angewurzelt beim Bühneneingang. Ich gestikuliere wild, bei dem Affentempo, das ich in dem Song 7 Minuten spielen muss, sie sollen endlich reinkommen und was machen. Endlich stürmen sie rein, das Publikum schreit und der Jazzpianist, der eine ulkige Sonnenbrille trägt, geht tierisch ab. Ich höre davon leider nichts, da man offensichtlich das Piano auf meinem Monitor für überflüssig befunden hat, doch Lucka meint hinterher, das sei „von einem anderen Stern“ gewesen. Jazz eben. Der Saxer duelliert sich zum Glück nicht zeitgleich mit diesem intergalaktischen Ereignis mit Peters Gitarren Solo und am Schluss, als wir das Schiff endlich in den Hafen zurück gebracht haben und die Stille von tosendem Applaus gebrochen werden sollte, macht die Cellistin, die den ganzen Song über mehr oder weniger tatenlos einen halben Meter vor meinem Schlagzeug, das Crashbecken direkt hinter ihrem Kopf (dieses arme, gut ausgebildete, ungeschützte Musikgehör! Ich traue mich kaum zu tun, was ich tun muss…), Geräusche, die ich bisher nur aus dem Fernsehen von irgendwelchen Wahlfischdokus gehört habe.
Endlich ist es vorbei und das Publikum, immer noch herzlich drauf und gut gelaunt, bittet uns um Zugabe. Wir sind so nett.
Danach essen wir Foyer der Moritzbastei unter Emos und anderem Gesindel, das nicht unser Konzert besucht, sondern eine doofe Electrorockblablaparty. Ich bin am Ende. So was von! Doch Stunden später trage ich das Schlagzeug erneut in Peters Wohnung und stelle es wieder auf. Morgen wird geprobt! Das ist uns allen klar, denn morgen werden uns mehr Leute hören und zwar glasklar. Deswegen lassen wir die Gläser stehen und gehen schlafen, ich auf dem Bett neben meinem Schlagzeug im Übungszimmer.

von Christian Schönholzer