Zu Gast beim Liedermaler Peter Piek – Artikel von David Rätsch bei motor.de

Nichts für Kunstbanausen: Bei Songwriter Peter Piek liegen Musik und Malerei ganz nah beieinander. Alles was zählt, ist die Schwerelosigkeit.

Mitten in einem Gewerbegebiet im Leipziger Norden befindet sich das Domizil von Peter Piek. Umgeben von KFZ-Dienstleistern und Tabledance-Bars hat sich der Künstler ein moderates Eigenheim mit Atelier eingerichtet, welches nicht nur nach Farbe riecht, sondern vor allem nach Pop. Musik und Malerei – jene beiden Kulturformen hängen für den 29-Jährigen untrennbar miteinander zusammen. Peter Piek hört Farben, malt Töne, bringt den Rhythmus auf die Leinwand, malt Songs von U2 und Neil Young.

Geboren wird Peter Piek 1981 als Peter Piechaczyk im damaligen Karl-Marx-Stadt. Während seiner Jugend entdeckt er neben dem Klavier und der Gitarre auch Pinsel und Mischpalette. Mit seinen Bildern ist er mehrfacher Sieger der Jugendkunstbiennale, stellt später in diversen deutschen sowie internationalen Galerien aus. Parallel klopft er am Musikmarkt an: Mit seiner Begleitband The Colours reist er durch ganz Europa und quer durch die USA. 2008 erscheint Pieks Debütalbum “Say Hello To Peter Piek”. Nun legt der Wahl-Leipziger seinen zweiten Longplayer “I Paint It On A Wall” vor. Ohne Zweifel: Auch auf der neuen Scheibe schütteln sich Malerei und Musik wieder die Hände. Diesmal sind mehr Farben und dickere Pinsel im Spiel.

Auf seinem neuen Album befinden sich 13 Songs, welche vielschichtiger und aufwendiger aufgenommen wurden als die des Erstlingswerkes. Die Stücke sind gespickt mit Piano- Streicher- und Saxophoneinlagen, welche im Zusammenspiel mit Peters markanter, hoher Stimme immer für unerwartete Momente sorgen. Den Hörer erwarten eingängige Stücke wie “I Sleep Beneath The Golden Tree” oder “Feel The Love” aber auch langsamere Lieder wie beispielsweise das charmante Liebeslied “Elli”.

Wir trafen den Künstler in seinem kleinen Reich und sprachen mit ihm über die Beziehung zwischen Pinsel und Gitarre, sein Verhältnis zum Leipziger Star Neo Rauch und die Schwerelosigkeit in der Kunst. Ein Bild hat er auch für uns gemalt.

motor.de: Peter, ist es schwieriger, einen Song zu schreiben oder ein Bild zu malen?Peter: Wenn man etwas kann, ist es eigentlich immer leicht. Manchmal ist es aber auch schwer – also sauschwer und leicht zugleich. Es gibt da keine Gesetzmäßigkeiten. Es kann Jahre dauern, einen Song oder ein Bild fertig zu malen. Es kann aber auch ganz schnell gehen und in einer Viertelstunde schon fertig sein. Die Mechanismen funktionieren in der Malerei und beim Songwriting gleich. Man möchte ausbrechen, ohne einzubrechen. Man versucht einen Schritt weiterzugehen, gleichzeitig seinem Ziel treu zu bleiben, und dieses aber auch stetig zu entwickeln.

motor.de: Was denkst Du, wo liegen die Zusammenhänge zwischen Malerei und Musik?

Peter: Die liegen überall. Schau Dir mal das Bild an (zeigt auf ein Bild an der Wand): Man hat eine untere Ebene, die ist weiß und gelb. Dieses Gelb zieht sich komplett und diagonal durch das Bild, erzeugt eine abgegrenzte Fläche. Gelb und Weiß – das ist wie eine Strukturebene. Das könnte man jetzt mit Strophe und Refrain vergleichen. In der Musik hat man ja auch eine Überlagerung von Instrumenten. In den Bildern hat man dann halt eine Überlagerung von Flächen und Ebenen. Das ist dann wie in der Musik: Man hört das Gesamte und das Einzelne verschwimmt darin. Das Bild stapelt sich genau so auf. Die fetteren Sounds sind die größeren Elemente auf den Bildern, zum Beispiel der Bass.

motor.de: Diese Erkenntnisse wendest Du ja regelmäßig an, indem du Bilder zu Liedern malst, Es gibt ganze Bilderserien zu Songs von U2 und Neil Young …

Peter: Ich habe zu Neil Young, U2 und auch zu Velvet Underground eine Bildserie gemalt. Das ist schon eine Weile her, als ich noch nicht in der Schwerelosigkeit angekommen war und mir dachte, dass ich durch diese tollen Songs viel über Malerei lernen könnte.

(Geht ins Lager und sucht nach Bildern)

Bei diesen Bildern da hinten habe ich versucht, mich speziell auf den Text meiner Lieder zu beziehen und einen gewissen Rhythmus daraus abzulesen. Das sind natürlich alles Teilaspekte der Songs und natürlich steht so ein Song für sich alleine. Das finde ich auch gut. Man kann den Song hören, das Bild ohne Musik sehen und doch ist beides eben immer da. Dazu lassen sich natürlich im Zwischenraum noch viele Dinge entdecken. Die Schwerelosigkeit im Bild ist eine Idee aus der Musik. Die Idee, die meine Malerei wie sonst nichts verändert hat.

motor.de: Hat sich in der Zeit seit Deinem ersten Album in puncto Malerei oder Songwriting etwas geändert? Wenn ja, kann man dies auf dem Album hören?

Peter Piek: Was Malerei angeht, hat sich bei mir sehr viel entwickelt. Eben die Idee des schwerelosen Musikbildes. Das hat das Bild total verändert. Das muss man sehen. Soundtechnisch gab es auch ein paar Veränderungen. Es ist rhythmischer geworden, weniger flächig. Die Fläche ist in der Musik eher zur Struktur geworden, ist also jetzt noch breiter aber nicht mehr für sich wahrnehmbar. Das ist eine Idee aus der Malerei, die sich jetzt in der Musik wiederfindet.

Peter Piek – Tree

Gedreht wurde das Video zu “Tree” von Falk Schuster, zu dessen Kurz-Animationsfilm “Laufende Geschäfte” Peter Piek den Soundtrack beisteuerte

motor.de: Wie wird im Allgemeinen deine Kunst wahrgenommen? Du hattest da ja mal eine ganz besondere Begegnung mit dem Leipziger Malerstar Neo Rauch

Peter: Ja, beim Rundgang der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst hatte ich ein Bild ausgestellt, ein ziemlich gutes, aber irgendwie auch hässliches. Ich finde durchaus, dass hässliche Bilder gut sein können. Neo hat sich als Fan meiner Musik geoutet, meint aber, dass er mit meinen Bildern gar nichts anfangen kann. Er hat gesagt, dass er – wenn er dazu fähig wäre – genau solche Musik machen würde wie ich, was ein tolles Kompliment war. Bei diesem Rundgang meinte er aber auch, mein Bild sei das schlechteste gewesen. Es sei überhaupt keine Malerei, sagte er. Aus seiner Sicht ist das völlig richtig – er macht halt etwas ganz anderes. Das bedeutet doch nur, dass ich es seiner Meinung nach geschafft habe, etwas völlig eigenes und unabhängiges zu kreieren, mit dem ich dazu noch wiedererkennbar bin. Und da wiederum sind wir einer Meinung. Ob das nun schön oder hässlich oder ryhthmisch ist, spielt dabei keine Rolle. Das ihm das nicht gefallen kann, ist klar.

motor.de: Was wäre Dir lieber? Ein Lob für deine Bilder von jemandem wie Neo Rauch oder Zuspruch von einem großen Musiker, wie Deinem Idol Neil Young?

Peter: Kritik ist mir sehr wichtig und ich bin froh, dass es Menschen gibt, die mich gut kennen und mich sinnvoll kritisieren können, sodass es mir etwas bringt. Ein Lob von Neil Young wäre natürlich geil. Klar. Generell ist es toll, gelobt zu werden. Es ist toll, da es bedeutet, dass sich die Leute mit deinen Sachen auseinandersetzen.



motor.de: Nun das Ganze einmal
umgedreht: Mal angenommen, Du müsstest ein Bild von Rauch vertonen. Wie würde das klingen?

Peter: Puh. Es würde klingen wie es aussieht. Ich denke, da würde nicht viel Musik bei herauskommen. Ich kenne seine Sachen nicht so gut. Aber von dem, was ich weiß, würde es sich alles sehr barockmäßig anhören. Es sieht auf jeden Fall nicht nach Rockmusik aus, sondern eher opernhaft. Ja. Oper passt vielleicht am ehesten. Wo sich Dinge zuspitzen und sich am Schluss alle umbringen. Nur dass sie sich eben nicht umbringen. Die Stelle in der Oper, wo es losgeht, spannend zu werden. Da wo der Dirigent den Taktstock zum Höhepunkt ansetzen will. Nur er tut es eben nicht. Er bleibt eben die ganze Zeit kurz davor es zu tun. Das ist cool. Mir gefällt das. Mit Musik hat das aber nicht viel zu tun. Nicht wie ein Song, wo es über Liebe oder Farben geht.

motor.de: Wie würde denn ein nahezu anarchistischer, von allen Normen losgelöster Künstler wie Jonathan Meese klingen?

Peter: Ich stelle mir da ein kräftiges Schlagzeug vor, verdammt laut, eigentlich hauptsächlich laut mit dilettantisch gespielten Instrumenten. Das würde aber spannend sein. Es wäre vielleicht keine gute Musik im Sinne von „gut gespielt”, aber doch innovativ.

motor.de: Also doch eher der totale Kontrast zu Deiner Musik…
Peter: Schon. Ja. Ich nehme meine Lebensfreude ernst und versuche mich zum Positiven hin zu entwickeln. Momentan versuche ich etwas weniger zu machen. Das aktuelle Album ist ja vollgestopft mit Arrangements, vielen Ideen, ganz vielen Sachen halt. So versuche ich nun, mich davon zu verabschieden. Aber es klappt irgendwie nicht. Im Gegenteil.

“But I Still Haven’t Found What I’m Looking For”: Der U2-Klassiker auf Leinwand gebannt

motor.de: Wie gehst Du eigentlich vor, wenn Du ein Lied malst?

Peter:
Man müsste eigentlich erst ein neues Wort erfinden für das, was ich mache. Es gibt keine Spielregeln dafür, man hat eine Idee für den ersten Schritt, eine Grundkonzeption vor Augen. Man fängt an mit dem ersten Riff oder so. Dann arbeitet man das aus. Sobald man angefangen hat, zu malen, ist man nicht mehr frei. Man muss nämlich auf das antworten, was man hört. Das Bild oder der Song malt sich dann quasi selber. Selber aber aus mir heraus.

motor.de: Lass uns das mit dem Liedermalen doch einmal ausprobieren! Wir spielen Dir einen Song vor, und Du versuchst, ihn zu malen. Nehmen wir einfach mal “Everything In Its Right Place” von Radiohead.

Peter: Okay.

Radiohead – Everything In Its Right Place

(die Musik läuft, Peter hört aufmerksam zu)

motor.de: Klingt doch voll grau, oder?

Peter: Na ja, Grau höre ich noch nicht so heraus, eher so ein warmes Braun oder ein Gelb. Es ist zumindest extrem dicht…

(wir spielen den Song weitere Male ab, Peter malt mit Buntstiften auf ein A3-Blatt)

Nach ungefähr einer Viertelstunde ist das kleine Kunstwerk fertig – Voila:

Text + Fotos: David Rätsch

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