Die größten Abgründe des Lebens,
die bizarrsten Figurationen
der Angst im Alltag, stecken oft
tief in uns, in den düstersten Ecken des
Ichs, der Schattenzone der Seele. Dirk
Hanus macht aus diesen verborgenen
Räumen der Psyche Fotografien, füttert
damit seine Serie „Inner Spaces“. „Natürlich
stecken all diese Geschichten in
mir“, erzählt der Chemnitzer. „Ich träume
sie nicht, doch wenn ich die Augen
schließe, kommen solche Bilder.“ Ein
Junge unter dem Gebälk eines alten
Dachbodens scheint da mit Ritterschild
und Schwert bewaffnet auf verborgene
Gegner zu warten. Ein mysteriöses „Blutbad“
überrascht an anderer Stelle einen
Passanten im Waschraum, der hilflos mit
einem Besenstil gegen die roten Flut
anzukämpfen scheint. Und eine junge
Frau studiert wieder anderswo gedankenversunken
ihr nacktes Spiegelbild.
Die Akteure dieser verstörenden Inszenierungen
bleiben stets alleine mit sich
und ihren Seelenzuständen. „Ich erzähle
diese Geschichten, ohne dem Betrachter
Erklärungen zu liefern“, gesteht der
Fotograf. „Jeder soll diese Bilder für sich
interpretieren.“ Die Körpersprache der
Abgebildeten transportiert hier einen
Gefühlszustand. Schon als Jugendlicher
wollte Dirk Hanus Fotograf werden. In
der damaligen DDR bekam er jedoch
keinen der begehrten Studienplätze in
Leipzig und studierte stattdessen Informationstechnik.
Nach der Wende
machte er schließlich sein Hobby zum
Beruf und wurde Anfang der Neunziger
Jahre Werbefotograf. Das nötige technische
Rüstzeug hatte er sich über die
Jahre selbst angeeignet. Heute arbeitet
der Chemnitzer zunehmend neben seinen
kommerziellen Auftragsarbeiten
auch als Fotokünstler. „Das vermeintliche
Glück muss ich im Werbealltag einer
Agentur ständig fotografieren“, sagt
Hanus. „Diese Fotos bleiben natürlich
oberflächlich. Meine „Inner Spaces“ sind
da viel näher an der Wirklichkeit.“ Seine
inszenierten Seelenräume sieht er selbst
zwischen den Filmwelten eines David
Lynch und den Biedermeier-Idyllen des
Malers Carl Spitzweg angesiedelt. Filmzitate
von Murnaus „Nosferatu“ bis Stanley
Kubricks „Shining“ tauchen mehr
oder weniger verdeckt in vielen seiner
Motive auf. Eine besondere Intensität
bekommen diese Inszenierungen durch
ihre raffinierte Ausleuchtung. Hanus bestrahlt
die Akteure seiner Langzeitbelichtungen
mit einer Taschenlampe und
setzt damit ein sehr dramatisches Licht.
Dieses Licht trägt entscheidend zur surrealen
Anmutung der Serie bei. Dazu
gesellt sich die seltsam gestrige Patina
der düstren Räume, die Hanus etwa in
den Industrieruinen des Ostens findet.
Das fertige Motiv vereint meist mehrere
Belichtungsvarianten, die digital in
vollendeter Perfektion zusammen gebracht
werden und auf einer Printgröße
von 150 x 100 cm abgezogen. Mit seinen
inszenierten Variationen des Ichs fiel
der Autodidakt in diesem Jahr bei der
Jurierung der „photographers:network
selektion 2009“ auf, wo er den erstmals
ausgeschriebenen Portfoliopreis von fotoMAGAZIN
zugesprochen bekommen
hat. Zusammen mit 25 weiteren ausgewählten
Arbeiten des Jahres wurde
ein Beitrag von Dirk Hanus bis 5. Juli im
Siegener Atelier von Thomas Kellner gezeigt.
Darüber hinaus präsentiert die Siegener
ArtGalerie die Serie „Inner Spaces“
bis 16. August 2009.
Text: Manfred Zollner
Quelle: www.fotomagazin.de